© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/15 / 27. März 2015

Deutscher Rassismus statt Ehrenmorde
Bildungspolitik: Eine Studie untersucht, welches Bild von Ausländern Kindern und Jugendlichen in den Schulbüchern vermittelt wird
Lion Edler

Simone Lässig hatte offenbar geahnt, daß ihre Schulbuchstudie nicht nur auf Begeisterung stoßen würde. Die Untersuchung sei „nicht als Schulbuchschelte“ zu verstehen, betont die Direktorin des Braunschweiger Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung. Es gehe auch nicht darum, etwas zu „skandalisieren“. Und nein, es gehe auch nicht um „Political correctness“, beteuert eine andere Mitarbeiterin.

Wer einen Blick in die in der vergangenen Woche in Berlin vorgestellte „Schulbuchstudie Migration und Integration“ wirft, der bekommt jedoch exakt diesen Eindruck. Schon im Vorwort schreibt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), die die Studie in Auftrag gegeben hatte: „Um es mit Erich Kästner zu sagen: Mißtraut gelegentlich euren Schulbüchern!“ Diesen Ratschlag haben die Autoren der Studie offenbar beherzigt, wie sie schon in der Einleitung erkennen lassen: „Die Anlehnung an eine Migrationsforschung, die bewußt gesellschaftskritische Perspektiven aufgreift, ist für die vorliegende Studie erkenntnisleitend.“ Diese „gesellschaftskritischen Perspektiven“ scheinen vor allem eins zu sein: links. So stören sich die Forscher etwa daran, daß in den Schulbüchern „die Problematisierung von Migration gegenüber der Darstellung von Diversität als Normalfall überwiegt“. Einwanderung werde „primär als konfliktträchtig und krisenhaft“ dargestellt; „Migration und Diversität“ erschienen „letztlich nur als Problem und Herausforderung für eine weiterhin überwiegend als homogen vorgestellte Gesellschaft“.

Die Lösungsansätze, die dabei in den Schulbüchern nahegelegt werden, lassen die Autoren ebenfalls erschaudern: „In Form eines plakativen Gebots der Integration wird von Menschen mit Migrationshintergrund eine Anpassungsleistung an die deutsche Gesellschaft gefordert.“ Im übrigen würden „der IT-Experte aus Indien, die Ärztin aus Rußland und der Student aus Südkorea“ kaum in den Schulbüchern auftauchen.

Auch das „N-Wort“ entdeckten die Forscher

Es gelte außerdem, „die Begriffe und Bezeichnungspraxen zu überdenken“, da Begriffe wie „Ausländer“, „Fremde“, „Migranten“ und „Menschen mit Migrationshintergrund“ häufig synonym verwendet würden. Auch das verpönte „N-Wort“ (Neger) haben die Forscher in den Schulbüchern entdeckt – zwar nur in Karikaturen, aber „unreflektiert“, wie die Forscher mit strengem Tadel anmerken. Die Ergebnisse der Studie würden daher die Notwendigkeit verdeutlichen, „diversitätssensible Schulbücher und andere Bildungsmedien zu produzieren, die (migrationsbedingte) Vielfalt als Normalität widerspiegeln und deren Chancen für die Gesellschaft in den Mittelpunkt stellen“. Außerdem müsse „diversity education“ (zu deutsch etwa: „Vielfaltsbildung“) zum Teil der Lehrerausbildung werden. Rassismus und „strukturelle Privilegierung (‘Weißsein’)“ müsse in den Schulbüchern „im Kontext von Migration und Integration“ thematisiert werden. Özoguz fordert außerdem, daran zu arbeiten, „daß unser Selbstverständnis als Einwanderungsland sich auch in unseren Schulbüchern widerspiegelt“. Dabei ist das in den meisten Schulbüchern längst der Fall, wie auch die Studie konstatiert.

Mit dieser Sichtweise waren jedoch nicht alle Journalisten bei der Vorstellung der Studie einverstanden. Ob nicht die Gefahr bestehe, wollte ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa wissen, es mit der „Political Correctness“ zu übertreiben. Schließlich könne das doch dazu führen, daß sich niemand mehr traue, bestimmte Dinge auszusprechen. Themen wie Ehrenmorde und Parallelgesellschaften seien doch nun mal Dinge, die in der Öffentlichkeit diskutiert würden.

Aber solche Einwände kamen nicht gut an: Irritierte Blicke sowie ein allgemeines Luftholen und Schnaufen quittierten die Anregungen des dpa-Mannes. Die meisten Diskutanten waren sich denn auch einig, was sich an den Inhalten von deutschen Schulbüchern ändern müsse: Mehr über deutschen Rassismus, weniger über Ehrenmorde und Parallelgesellschaften.

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