© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Zwei Rücktritte und ein Brief unter Parteifreunden
AfD-Richtungsstreit: Nicht nur in der Erfurter Fraktion rumort es / Nach dem Ausscheiden von Beisitzerin Beatrix Diefenbach hat die Krise den Bundesvorstand erreicht
Marcus Schmidt

Zwei Führungsmitglieder auf einen Streich. Am vergangenen Freitag schreckte der Rücktritt von Beatrix Diefenbach aus dem AfD-Bundesvorstand und ihres Mannes, Hessens stellvertretendem Landeschef Herbert Frohnhofen, die Partei auf. „Wir können das Klima und den Mißklang, der sich durch sämtliche Ebenen zieht, nicht länger mittragen“, schrieb Diefenbach ihren Vorstandskollegen in einer E-Mail. „Unsere einst so hehre Vision und unser gemeinsames Projekt sehe ich als gescheitert an“, lautete ihr harsches Urteil. Gleichzeitig kündigte das Ehepaar seinen Parteiaustritt an, einen Schritt, denn beide kurz darauf jedoch wieder zurücknahmen. Ausgelöst hatte den doppelten Rücktritt offenbar die Gründung der AfD-nahen Parteistiftung. Damit, so die Auffassung Diefenbachs und Frohn-hofens, werde gegen den Parteitagsbeschluß von Erfurt verstoßen.

Zuvor hatte der seit Wochen tobenden Richtungsstreit in der AfD die Spannungen innerhalb der Fraktion im Thüringer Landtag verschärft. In einem am Mittwoch vergangener Woche von acht der elf Fraktionsmitgliedern unterzeichneten Brief werden die Abgeordneten Jens Krumpe und Oskar Helmerich aufgefordert, ihre Sitze in den Fachausschüssen des Erfurter Parlamentes aufzugeben. Gleichzeitig wurde ihnen der Ausschluß aus der Fraktion angedroht. Nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT hatte der Fraktionsvorstand bereits am 20. März versucht, Krumpe und Helmerich sowie den Abgeordneten Siegfried Gentele aus der Fraktion auszuschließen. Die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit war aber nicht zustande gekommen.

Helmerich werfen die Unterzeichner des Briefes nach Recherchen der JF unter anderem mangelnde Mitarbeit und fraktionsschädigendes Verhalten vor. So habe er Fraktionschef Björn Höcke auf dem Parteitag am 14. März in Arnstadt als „Nazi“ beschimpft. Außerdem habe Helmerich Termine versäumt und bislang noch kein Wahlkreisbüro eingerichtet. Helmerich wollte sich auf Anfrage nicht im einzelnen zu den Vorwürfen äußern, bezeichnete diese jedoch als „aus der Luft gegriffen“. So habe er etwa seit dem ersten Tag als Abgeordneter ein Wahlkreisbüro, dies werde sogar auf der Internetseite des Landtages aufgeführt.

Krumpe werden angeblich fraktionsschädigende Äußerungen in seiner Rede auf dem Parteitag in Arnstadt zur Last gelegt. Dort hatte er gesagt, in der Fraktion würden „durch Klüngelei demokratische Prinzipien ausgehebelt, Vetternwirtschaft betrieben und Fehlentscheidungen durch Vertuschungen systematisiert unter der Decke gehalten“.Allerdings hatte er die Delegierten auch gleichzeitig aufgefordert, „die Königsfigur namens Björn Höcke weitgehend aus den neuerlichen innerparteilichen Querelen herauszuhalten“. Dem MDR sagte Krumpe, er sehe überhaupt keinen Grund, seine Arbeit in den Ausschüssen des Landtages zu beenden. In dem Brief wird beiden Abgeordneten eine Frist von zwei Wochen gesetzt, der Aufforderung zum Rücktritt nachzukommen.

Eine Sprecherin der Landtagsfraktion teilte auf Anfrage mit, die Fraktionsspitze äußere sich zu internen Angelegenheiten nicht. „Die möglichen interfraktionellen Differenzen haben nichts mit dem Richtungsstreit in der Partei zu tun.“

Dieser Streit war vor knapp zwei Wochen durch die auf dem Parteitag in Arnstadt beschlossene „Erfurter Resolution“ ausgelöst worden. In dem von Höcke und dem Landeschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, initiierten Papier wird vor einer Anpassung der AfD an die etablierten Parteien gewarnt. Zudem werden schwere Vorwürfe gegen die AfD-Spitze erhoben.

Petry fordert von Lucke Willen zur Integration

In Fraktionskreisen wird im Zusammenhang mit dem Brief an Krumpe und Helmerich nun darauf hingewiesen, daß beide die „Erfurter Resolution“ kritisiert und statt dessen wie ihr Fraktionskollege Siegfried Gentele die von mehreren AfD-Europaabgeordneten veröffentlichte „Deutschland-Resolution“ unterzeichnet haben. Darin wird die „Erfurter Resolution“ scharf zurückgewiesen und den Initiatoren vorgeworfen, sie versuchten „die Partei auf Provokation und Protest zu verengen“. Mit seiner Unterschrift habe er dem Bundesvorstand „ein starkes Signal der Unterstützung für seine unermüdliche Arbeit senden wollen“, hatte Helmerich der JF gesagt. Nach Ostern soll eine Fraktionsklausur auf der Wartburg dabei helfen, die Risse wieder zu kitten.

Unterdessen hat sich die Fraktionsvorsitzende der AfD im Sächsischen Landtag, Frauke Petry, in den durch die „Erfurter Resolution“ ausgelösten Streit eingeschaltet. Sie forderte Parteichef Bernd Lucke auf, sich an sein auf dem Bremer Parteitag gegebenes Versprechen zu halten, die AfD zu einen. „Bislang fiel es mir schwer, Luckes Willen zur Integration zu erkennen“, sagte Petry der Bild. Mit Blick auf die „Erfurter Resolution“ sagte die AfD-Chefin: „Diese Resolution ist eine Äußerung von vielen, die durchaus ernst zu nehmen ist, aber den Kern, um den es geht, nicht trifft. Allein unbequem zu sein reicht nämlich nicht aus, wir brauchen auch Konzepte.“ Auch die „Deutschland-Resolution“ sei in diesem Sinne „wenig hilfreich“.

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