© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Jung, ehrgeizig, erfolglos
Integration: Eine Studie zeichnet ein zwiespältiges Bild der Bildungsambitionen junger Einwanderer
Elena Hickman

Ein Satz bekam Klaudija Paunovic von ihren serbischen Eltern immer wieder zu hören: „Du bist Ausländer, du mußt mehr zeigen!“ Klassenbeste zu sein war gerade gut genug. Viel mehr als dieses Motto konnten Klaudijas Eltern ihr jedoch nicht bieten. Beide mußten arbeiten und hatten weder die Zeit noch das nötige Wissen, um wirklich bei den Hausaufgaben ihrer Tochter zu helfen. Doch Klaudija schaffte ihr Abitur, ein Studium und arbeitet jetzt erfolgreich als Online-Marketing-Managerin, wie sie den Autoren einer Studie im Auftrag der Stiftungen Mercator und Vodafone zu Bildungserfahrungen von Menschen mit Migrationshintergrund verrät.

Die Geschichte von Klaudija und ihren Eltern spiegelt laut der repräsentativen Studie, für die 1.700 Betroffene interviewt wurden, die Einstellung von vielen Zuwanderern wider. Die Studie belegt, wie wichtig eine gute Bildung Einwanderern ist: 96 Prozent sehen Bildung als wichtigsten Schlüssel zum Erfolg. „Ein überraschendes Ergebnis“, sagte der Düsseldorfer Bildungsforscher Heiner Barz bei der Vorstellung der Studie vergangene Woche in Berlin.

Die richtige Haltung ist da, trotzdem scheitern Einwanderer häufig an der harten Realität. Laut der Studie nehmen Schulen in der Praxis nicht genug Rücksicht auf die kulturelle Vielseitigkeit ihrer Schüler. Gerade die Sprache würde häufig ein großes Problem darstellen. Deshalb wünschen sich 86 Prozent der Einwanderer einen speziellen Deutschunterricht für ihre Kinder, aber nur 27 Prozent bekommen diese Förderung an der Schule ihrer Kinder angeboten. Die „mangelnde interkulturelle Öffnung“ wird laut Studie auch daran deutlich, daß sich 92 Prozent der befragten Eltern eine „interkulturelle Kompetenz“ der Lehrer wünschen, nur 60 Prozent diese Kompetenz auch vorfinden. Eltern mit ausländischen Wurzeln investieren auch persönlich viel in die Zukunft ihrer Kinder. Etwa zwei Drittel wenden für die Bewältigung des Schulalltags eine halbe bis zwei Stunden auf. Dabei bestehen aber immer noch große Unterschiede zwischen den einzelnen Milieus.

Linkspartei und Grüne fordern Unterstützung

In der Mittelschicht sind die Eltern mehr in den Bildungserfolg ihrer Kinder integriert, während in den traditionsorientierten Schichten praktische Hilfe und Unterstützung eher fehlen.

An Angeboten zur Elternbildung, wie etwa auf ihre Situation zugeschnittene Beratung, besteht bei den Studienteilnehmern Durchweg ein großes Interesse. Doch nur 22 Prozent gaben an, so etwas an der Schule ihrer Kinder auch zu finden. Viele Einwanderer klagen deshalb über „Umwege im Bildungssystem“ wegen falscher Schulempfehlungen und über „verlorene Jahre“ für ihre Kinder. Die Lücke zwischen Wunsch und Realität klafft auch zwischen den 86 Prozent, die an einer Beratung zu Förder- und Stipendienprogrammen interessiert sind und den 22 Prozent, für die es eine solche Beratung gibt. „Der Ausbau bestehender Beratungs- und Informationsangebote ist daher ebenso geboten wie die Entwicklung neuer, zielgruppenoptimierter Formate, die an den unterschiedlichen Alltagswelten differenziert ansetzten“, sagte Barz.

Um besser auf diese „unterschiedlichen Alltagswelten“ eingehen zu können, empfahl der Landeskoordinator des Netzwerks „Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte“, Mostapha Bouklloua, „daß die Schulen auch rausgehen, mit Migrantenorganisationen zusammenarbeiten und die Eltern dort informieren, wo sie sich aufhalten, zum Beispiel im Moscheeverein um die Ecke“.

Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, zog ihre eigenen Schlüsse und erklärte, die Bildungspolitik der vergangenen Jahre habe versagt. Von der Notwendigkeit, sich umfassend zu bilden und die Sprache zu lernen, müßten Migranten nicht überzeugt werden. Was fehlt, seien die entsprechenden infrastrukturellen und konzeptionellen Rahmenbedingungen. Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion im Bundestag, Volker Beck, äußerte sich zur Studie und sagte, damit Migranten an den „vielfältigen Bildungsangeboten“ teilhaben könnten „brauchen sie (...) verstärkt spezifische Unterstützung“. Frauenkirche: Stadtreinigung sorgt vorher für Ordnung

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