© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Von Mohammed zu Jesus
Religionswechsel: Muslime, die zum Christentum übertreten und sich taufen lassen, setzen sich einem hohen Risiko aus. Selbst in Deutschland sind sie vor Nachstellungen nicht sicher
Hinrich Rohbohm

Hany (Name von der Redaktion geändert) ist ein sehr vorsichtiger Mensch geworden. Ein Gespräch mit der Presse? Der 32 Jahre alte Familienvater zögert. Er hat gute Gründe dafür. „Verstehen Sie bitte, ich muß mein Leben schützen.“ Keine Fotos, keine Namen. Keine Angaben über seinen Wohnsitz und seine Kirchenzugehörigkeit. Und keine zu detaillierten Beschreibungen seines ägyptischen Heimatortes, dem er vor wenigen Jahren entflohen ist, weil er vom Islam zum christlichen Glauben konvertierte.

„Manchmal muß ich das Kreuz verstecken“

Das sind die Bedingungen, unter denen der tiefgläubige Mann bereit ist, mit der JUNGEN FREIHEIT über die Beweggründe für seinen Religionswechsel zu sprechen. Hany redet leise, manchmal ist es nur ein Flüstern. So, als wäre er noch immer in Ägypten, wo ihm fanatisierte Islamisten nach dem Leben trachteten. „Ganz sicher fühle ich mich auch in Deutschland nicht“, gesteht er.

Hany trägt ein silbernes Kreuz um seinen Hals. „Normalerweise verstecke ich es unter meiner Kleidung.“ Er will das nicht. „Aber manchmal muß ich das tun.“ Es war im vergangenen Sommer, als er in einer deutschen Stadt auf offener Straße von fünf moslemischen Jugendlichen angerempelt wurde. „Nimm das Kreuz ab, so kannst du hier nicht rumlaufen“, hatten sie ihn angeschrien. Passanten hatten den Vorfall mitbekommen, blickten zu ihm herüber. Und gingen schweigend weiter, als er von den jungen Leuten umringt wurde.

Als sich Hany weigerte, trat ihm einer aus der Gruppe von hinten in die Kniekehle. Ein anderer verpaßte ihm eine Ohrfeige. „Sehen wir dich hier noch mal mit dem Ding, wirst du Blut spucken“, hatten sie ihm gedroht.

„Nein“, sagt er langsam und schüttelt dabei nachdenklich den Kopf. „Auch in Deutschland bin ich nicht vollkommen sicher.“ Mit Sorge beobachte er auch in Westeuropa eine immer stärker fortschreitende Radikalisierung des Islam. „Die Politiker in Europa sind da oftmals sehr naiv. Die können sich gar nicht vorstellen, welchem Druck wir Christen in den arabischen Ländern ausgesetzt sind.“

Die brutale Gewalt islamistischer Fanatiker sei es gewesen, die aus dem einstigen Moslem einen Christen werden ließ. „Eine Religion sollte den Menschen zu innerem Frieden verhelfen und ihnen nicht mit Auspeitschen, Steinigungen und Handabhacken drohen“, sagt Hany. Ein „guter Freund“ habe ihn endgültig vom Glaubenswechsel überzeugt. „Ein Mann, den ich sehr bewundere. Er hat mich gelehrt, anderen zu vergeben und auch seine Feinde zu lieben. Da ist soviel Frieden in seinen Augen gewesen.“ Frieden, den er in seinem Land viel zu selten gesehen habe.

Kein Drängen, kein Werben für einen Glaubenswechsel habe sein Freund bei ihm betrieben. „Er hat einfach nur wie ein guter Christ gelebt und mir dadurch einen Weg zu Gott gezeigt“, erklärt Hany. Das habe ihm imponiert. So sehr, daß er seinem Freund später einmal offenbarte, daß er mit dem Gedanken spiele, sich vom Islam loszusagen und ebenfalls Christ zu werden. „Du mußt selbst entscheiden, welchen Pfad du einschlagen willst, es ist dein Leben, deine Wahl“, habe er ihm nur als Rat gegeben.

Wenn sich keiner bekennt, gibt es keine Freiheit

Das war vor vier Jahren. „Von da an stand mein Entschluß eigentlich fest, Christ zu werden.“ Doch als er ihn seiner Familie mitteilt, beginnt für Hany ein Martyrium. „Das gab einen entsetzten Aufschrei. Mein Vater brüllte mich an, meine Brüder schlugen mich, meine Cousins mieden mich.“ Hany kann sich an diesen Tag noch so genau erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. „Meine Frau sprach an diesem Tag kein Wort mit mir, sie ging zu mir auf Distanz.“

Erst Wochen später konnte er mit ihr über seine Beweggründe sprechen. Daß er im Christentum inneren Frieden finde. Daß er die Gewalt, die derzeit im Namen des Islam in Ägypten gegen Andersgläubige ausgeübt werde, nicht mittragen könne. Daß der Glaube nur in freier Entscheidung erfolgen könne und niemals durch Zwang funktioniere.

„Natürlich hatten auch die christlichen Kirchen ihre Schattenseiten“, sagt Hany. Er spricht von den Hexenverbrennungen vor vielen Jahrhunderten, von Greueltaten während der Kreuzzüge. „Irrwege“, wie er sie nennt und die er im Christentum als überwunden sieht. Im Islam seien diese Irrwege noch nicht überwunden. Im Gegenteil: „Da erleben wir ja gerade, wie die Fanatiker die Macht an sich reißen.“ Er spricht vom sogenannten Islamischen Staat und den von diesem zur Schau gestellten enthaupteten Christen, von den Haßpredigten der Salafisten, den Terroranschlägen von New York, von Madrid, von Bali, von Paris.

Gerade die bürgerliche Mittelschicht der islamisch geprägten Länder würde diese Taten verabscheuen, ist er sich sicher. So mancher von denen dürften im Geiste längst wie er zum christlichen Glauben konvertiert sein, vermutet Hany. Die meisten aber würden schweigen oder ihre Konversion verheimlichen. Erste Tendenzen für jenes Verschweigen und Verheimlichen glaubt er auch bereits in Deutschland zu erkennen. „Natürlich ist es nicht einfach, sich angesichts möglicher Konsequenzen in einem islamischen Land als Christ zu bekennen. Aber wenn sich niemand bekennt, wird es auch niemals zur Glaubensfreiheit kommen.“ Auch er habe diese Situation anhand der Reaktion seiner Frau miterlebt.

„Ich verstehe dich ja, aber denke bitte auch an unsere Familie“, habe sie ihn gebeten. Hany dachte daran, blieb zunächst weiter Moslem. Der Hausfrieden war wieder hergestellt. Aber der innere Konflikt zwischen seinem Glauben und seiner Familie schwelte weiter, entfachte einen Krieg in seiner Seele. „Nach außen führte ich ein Leben, das von mir erwartet wurde. Innerlich habe ich geschrien, Folterqualen durchlaufen.“

Ein weiteres Mal eröffnete er seiner Familie, daß er nicht anders könne, daß er es sich genau überlegt habe und er nun doch Christ werden wolle. Die familiäre Situation eskalierte. Noch heftiger als beim ersten Mal. Nachbarn und Freunde wandten sich von ihm ab, der gelernte Mediziner verlor seinen Arbeitsplatz. „Die Tage nach meiner Ankündigung, Christ zu werden, wurden für mich zum Spießrutenlaufen.“

Vertraute von einst beschimpften, bedrohten und beleidigten ihn. „Manchmal wurde ich bespuckt, manchmal mit Steinen beschmissen.“ Als Leute aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft damit drohten, ihn umzubringen, sollte er seinen Glauben wechseln, faßte er einen Entschluß: Flucht. Raus aus Ägypten, in ein christliches Land. Hany kratzt sein Erspartes zusammen, gelangt nach Deutschland, wo ihm Asyl gewährt wurde.

„Das waren Tage der Ungewißheit für mich. Offenbar geben auch viele nur vor, Christen zu sein, um auf diese Weise in Deutschland ein Aufenthaltsrecht und damit verbundene Sozialleistungen zu erhalten“, räumt er ein. „Ich wollte das Gegenteil, ich wollte meine beruflichen Erfahrungen einbringen, dem Land etwas zurückgeben, das mich aufgenommen hatte.“ Daß er zunächst nicht arbeiten durfte, sei für ihn „frustrierend“ gewesen.

„Wer hat den Deutschen den Glauben genommen?“

Fälle wie der von Hany sind keine Seltenheit. Einige sind sogar weitaus drastischer. „Momentan ist die Lage für christliche Konvertiten aus islamischen Ländern besonders bedrückend und beängstigend“, bestätigen mehrere Priester gegenüber der JF. Nicht nur aus Ägypten sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen Konvertiten mißhandelt oder getötet wurden.

Im Iran etwa wird der Glaubenswechsel mit dem Tod bestraft. Schutz vom Staat können die Konvertiten auch in anderen islamischen Ländern nicht erwarten. Vielmehr sind Verhaftungen, der Verlust der Wohnung und des Arbeitsplatzes keine Seltenheit. Oftmals ist es sogar die eigene Familie, die eine Konversion als Schande empfindet.

Dabei greift sie manchmal zu Methoden, die noch weitaus drastischer ausfallen als im Fall von Hany. Der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) zufolge seien Konvertiten teils schwersten Mißhandlungen und Folter durch ihre Angehörigen ausgesetzt. Da ist von Schlägen mit Kabeln die Rede, von Verbrennungen, Schnittverletzungen, Herausreißen der Fingernägel bis hin zu Elektroschocks.

Hinzu kommt eine rasant steigende Zahl von islamischen Extremisten, die zu einer regelrechten Jagd auf Konvertiten und ihrer Ermordung aufrufen. Auch in Deutschland. In regelmäßiger Folge kommt es in Flüchtlingsheimen zu Übergriffen von Moslems auf christliche Familien. Auch Angriffe auf christliche Geistliche in muslimisch dominierten Wohnvierteln häufen sich.

„Deshalb bin ich auch hier nicht völlig sicher“, erklärt Hany. Darum seine Vorsichtsmaßnahmen, seine Zurückhaltung, öffentlich über seinen Glauben zu sprechen. „Es gibt bereits auch in Deutschland Stadtteile, in denen Andersgläubige bedroht werden. Wenn die Politik nicht aufpaßt, dann könnten unsere Probleme bald auch eure Probleme sein“, mahnt der Konvertit, der sich zudem darüber wundert, daß so wenige Deutsche in die Kirche gehen. „Wer hat den Deutschen ihren Glauben genommen?“ fragt er sich.

Gleichzeitig erleben einige Kirchengemeinden in Deutschland einen regelrechten Aufschwung durch Konvertiten aus den islamischen Staaten. In der lutherischen Dreieinigkeitskirche von Berlin-Steglitz werden inzwischen nahezu an jedem Sonntag Konvertiten getauft. Es handelt sich überwiegend um Flüchtlinge aus dem Iran und aus Afghanistan.

Weil es zu wenige Gläubige gab, war die Steglitzer Kirchengemeinde einst mit der Kirchengemeinde von Zehlendorf zusammengelegt worden. Durch den Zuwachs an Konvertiten wird sie nun wieder selbständig. Allein 500 von 750 Gemeindemitgliedern sind hier zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems. Für die Kirchen erfreulich: Es handelt sich zumeist um junge Gläubige, die den oftmals nur noch von älteren Deutschen besuchten Gottesdiensten neues Leben einhauchen.

Zu ihnen gehört nun auch Hany, der inzwischen wieder in seinem Beruf tätig ist, über ein ansehnliches Einkommen verfügt und seine Steuern zahlt. Sein Deutsch ist noch nicht akzentfrei, wie er sagt. Gut zu verstehen ist er dennoch. In Deutschland angekommen, hatte er sich umgehend taufen lassen, wurde Christ. Zu seiner Familie hat er keinen Kontakt mehr, er ist für sie nun ein „Ungläubiger“.

„Aber ich habe ihnen allen längst vergeben und hoffe, daß auch sie eines Tages vergeben können“, gibt er sich weiter zuversichtlich.

 

Das Kreuz tragen

Im Prinzip wird in jeder Religion, die einen universalen Wahrheitsanspruch hat, ein Wechsel des Bekenntnisses nicht gern gesehen und durchaus skeptisch betrachtet. Allerdings zieht dies in der Regel weder gesellschaftliche noch staatliche Sanktionen nach sich.

Anders im Islam. Dort ist nach traditionellem Recht nur die Konversion zum Islam gestattet, nicht diejenige vom Islam weg. Letztere gilt als sogenannte Apostasie (zu deutsch: Glaubensabfall) und wird als direkter Angriff auf die von Allah geschaffene „Umma“ (die Gemeinschaft aller Muslime) und damit als Angriff auf Allah selbst gewertet. Laut Koran ist dieser Glaubensabfall mit der Todesstrafe zu ahnden: „Und wenn sie sich abwenden, dann greift sie und tötet sie, wo immer ihr sie findet, und nehmt euch niemanden von ihnen zum Freund oder Helfer.“ (Sure 4,89)

In einigen Ländern, in denen der Islam Staatsreligion und tragende Säule des Rechtssystems ist (zum Beispiel Iran, Afghanistan, Pakistan, Saudi-Arabien), wird die Konversion als Landes- oder Hochverrat gewertet. Obwohl von Vertretern eines „liberalen Islam“ die Meinung geteilt wird, die Religionsfreiheit sei ein Menschenrecht, verläuft die Entwicklung im politischen Islam eher in die Gegenrichtung: Nahezu alle erfolgreichen jungen islamistischen Gruppierungen fordern, daß die Scharia wieder uneingeschränkt geltendes Recht werden müsse. Als Asylgrund ist in Deutschland die Konversion nur dann ausschlaggebend, wenn im Herkunftsland auch das sogenannte „religiöse Existenzminimum“ bedroht ist. Hierzu zählen laut Bundesverwaltungsgericht „die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich, das gemeinsame Gebet und der Gottesdienst mit Gleichgesinnten abseits der Öffentlichkeit“. Gesicherte Zahlen, wie viele Muslime in Deutschland zum Christentum konvertiert sind, liegen nicht vor.

www.emo-wiesbaden.de

www.orientdienst.de

www.igfm.de

www.lutherisch.de

Foto: Taufe: Der Pfarrer der Dreieinigkeitskirche in Berlin-Steglitz segnet ein Kind. Zu der Gemeinde gehören viele Konvertiten aus Iran und Afghanistan

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen