© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Saudis auf der sicheren Seite
Jemen: Mit einem Großkontingent von Soldaten will das wahhabitische Königreich die rebellierenden schiitischen Huthis in die Knie zwingen
Marc Zoellner

Ein solches Heer hatte Saudi-Arabien seit seiner Staatsgründung nicht mobilisiert: Über 150.000 Soldaten wurden an der Südgrenze des Landes zusammengezogen; einhundert Kampfjets gestartet, um im Akkord Luftangriffe auf den jemenitischen Nachbarn zu fliegen.

Die Bilanz zeigte sich dementsprechend erschreckend. Allein in Jemens Hauptstadt Sanaa gab es dutzende Tote, überwiegend Zivilisten, sowie bis auf die Grundmauern zerstörte Straßenbilder. Rauchfahnen wehten aus den Fenstern des Präsidentenpalastes, und auch die Umgebung des internationalen Flughafens wurde verwüstet.

Den Dialog mit Teheran lehnen die Saudis ab

Doch vom Leid des Jemen scheint in der öffentlichen Meinung der Saudis kaum etwas bemerkbar. Gegenteilig überhäufen sich die Medien, insbesondere der vom saudischen König Salman ibn Abd al-Aziz gesteuerte Nachrichtensender Al-Arabiya, derzeit mit Siegesmeldungen aus dem Süden.

Patriotisch geben sich dementsprechend auch dessen Journalisten. „So viele Jahrzehnte hab ich auf diesen Moment gewartet“, läßt Al-Arabiya seine Autoren aus den umliegenden Golfstaaten kommentieren. „Nun endlich dreht sich der Wind. Denn mit der Islamischen Republik Iran, einer Nation, welche das Persische Reich wiedererrichten und uns Araber unter ihren Stiefeln zertreten möchte, darf es keinen Dialog geben.“ Teheran verurteilte dagegen die „US-geführte Aggression“.

Im Konflikt mit den Huthis darf sich Saudi-Arabien derzeit auf der sicheren Seite fühlen. Denn abseits des Mullah-Regimes im Iran, der Assad-Regierung in Damaskus sowie der Russischen Föderation mangelt es den schiitischen Rebellen an Verbündeten auf dem internationalen Parkett. Ganz im Gegensatz zur wahhabitischen Monarchie König Salmans: Neben der Europäischen Union sowie den Vereinigten Staaten, welche sich zur geheimdienstlichen Unterstützung der militärischen Intervention bereit erklärten, genießen die Saudis überdies den Rückhalt des Golfkooperationsrats. Von Marokko über den Sudan und Ägypten bis hin zu Pakistan erklärten sich überdies rund ein Dutzend Staaten bereit, die saudische Offensive auch militärisch zu unterstützen.

Bereits am vergangenen Wochenende schlossen sich dreißig Kampfflieger der Vereinigten Arabischen Emirate den saudischen Luftstaffeln an, um gemeinsam Stellungen der Huthis rund um die strategisch bedeutsame jemenitische Stadt Taizz zu bombardieren. Ägyptische Kriegsschiffe patrouillieren seitdem auch im Bab al-Mandab, jener rund 27 Kilometer breiten Meerenge, welche einerseits das asiatische Jemen vom afrikanischen Dschibuti trennt, andererseits aber auch als wichtiger Verkehrsknotenpunkt das Rote Meer mit dem Indischen Ozean verbindet. Deren vorrangiges Ziel, ließ die Regierung in Kairo verlauten, sei zwar die Sicherung des maritimen Ölhandels in dieser Region. Doch auch bei der Evakuierung des von den Huthi-Rebellen in Aden eingeschlossenen jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi nach Saudi-Arabien spielte die ägyptische Flotte eine entscheidende Rolle.

Zwar ist die Belagerung der Hafenmetropole Aden, in welche sich die Regierung Hadis nach dem Fall Sanaas Anfang des Jahres zurückzog, mittlerweile auch dank der saudischen Luftunterstützung mittlerweile wieder durchbrochen und auch der Flughafen der Stadt zurückerobert. Doch die oberflächlich verkündeten Kriegsziele der Riader Monarchie, die Zerschlagung der Huthi-Milizen sowie die Eindämmung von Teherans Machtbereich auf der Arabischen Halbinsel, scheinen nach den ersten Kriegstagen noch lange nicht erfüllt zu sein.

Denn Saudi-Arabiens Intervention in den jemenitischen Bürgerkrieg hat noch ganz andere, aus der gemeinsamen Historie erwachsene Gründe: Eine erstarkende schiitische Bewegung wie jene der Huthi, die sich in Sanaa machtpolitisch etabliert, könnte ebenso die territoriale Integrität des wahhabitischen Königreichs an sich evident gefährden. So kontrollierten die Schiiten, die rund 40 Prozent der Bevölkerung des Jemen stellen, nicht nur die Geschicke des Landes bis zum Militärputsch von 1962, als panarabische Nationalisten den letzten König des Landes, Muhammad al-Badr, vertrieben. Auch der Süden Saudi-Arabiens gehörte bis zum Saudisch-Jemenitischen Krieg von 1934 zum Herrschaftsgebiet der jemenitischen Monarchie. Bis heute stellen jemenitische Stämme schiitischen Glaubens die Bevölkerungsmehrheit in der saudischen Südprovinz Najran. Im gesamten radikalsunnitischen Saudi-Arabien bekennt sich überdies jeder vierte Bürger zur Schia-Konfession.

Saudis fürchten um ihre territoriale Integrität

Die Befürchtung, die mittlerweile auf über 100.000 Milizionäre angewachsene und mit von der Armee erbeuteter modernster Technik bewaffnete Huthi-Bewegung könne sich nach der Einnahme von Aden und einem Sieg über die im Osten des Landes sich ausbreitende Terrororganisation al-Qaida den saudischen Grenzregionen zuwenden, wird auch im Golfbündnis König Salmans nicht mehr nur unter der Hand weitergegeben. Ende vergangener Woche sprach Pakistans Premier als erster über das eigentliche Motiv der Intervention.

„Pakistan genießt enge und brüderliche Beziehungen zu Saudi-Arabien“, erklärte Nawaz Sharif nach einem Treffen mit König Salman den Al-Arabiya-Reportern. „Deswegen haben wir beschlossen, daß jegliche Bedrohung der territorialen Integrität Saudi-Arabiens eine harte Antwort Pakistans nach sich zieht.“

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