© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Die Macht des US-Dollar ist ungebrochen
Rohstoffmärkte: Die Preise für wichtige Industriemetalle fallen / Deutsche Importeure leiden am Euro
Thorsten Polleit

Aluminium, Blei, Kupfer oder Nickel – seit vier Jahren fallen die Preise für wichtige Industriemetalle kontinuierlich. Kostete eine Tonne Aluminium Mitte 2011 noch über 2.700 Dollar, waren es vorige Woche weniger als 1.800 Dollar. Kupfer fiel von 10.000 auf 6.100 Dollar, Nickel von 29.000 auf unter 15.000 Dollar. Für deutsche Rohstoffimporteure ist der Preisverfall nicht so spürbar, denn gleichzeitig stieg der Außenwert des US-Dollars. Gab es vor vier Jahren noch 1,45 Dollar für einen Euro, waren es vorige Woche nur noch weniger als 1,10 Dollar.

Weniger Handelsaktivitäten auf den Rohstoffmärkten

Entsprechend teurer sind die in Dollar gehandelten Rohstoffe. Auch Briten, Chinesen, Japaner oder Schweizer können nur bedingt von den gesunkenen Rohstoffpreisen profitieren – Sparer und Investoren zeigen Pfund, Renminbi und Yen verstärkt die kalte Schulter und fragen den Greenback nach. Die Aussicht, die US-Zentralbank Fed könnte die Zinsen anheben, mag Anleger in den Dollar locken (JF 14/15). Bedeutsamer dürfte jedoch sein, daß die internationale Geld- und Kreditarchitektur zusehends fragiler und wackeliger wird.

Trotz des Wertverfalls des Dollar seit dem Ende des festen Wechselkurssytems 1971 bleibt das Weltwährungssystem de facto ein „Dollar-Devisen-Standard“. Der Dollar ist die weltweit wichtigste Transaktionswährung, speziell im Rohstoffhandel. Das internationale Bankgeschäft ist dollarisiert. Die Konditionen werden de facto aus dem Dollar-Raum diktiert. Der Greenback bleibt zudem die weltweite Reservewährung: Er dient vielen Währungen als „Grundgeld“. Ohne den Dollar hätten sie gar keinen „Anker“. Doch der Dollar ist wie der Euro nur „ungedecktes Papiergeld“. Und diese Geldart (Fiat money) leidet unter einer Reihe von ökonomischen und ethischen Defiziten. Beispielsweise sorgt sie für Finanz- und Wirtschaftskrisen, für sogenannte Boom-und-Bust-Zyklen. Das Papiergeld führt zu einer nicht-marktkonformen Verteilung von Einkommen und Vermögen; zudem ist es inflationär, bereichert einige wenige (die Erstempfänger des neugeschaffenen Zentralbankgeldes) auf Kosten vieler (der Spätempfänger des neuen Geldes) und ist sozial höchst ungerecht.

Das ungedeckte Papiergeld sorgt dafür, daß die Schuldenlasten immer weiter ansteigen und die Volkswirtschaften früher oder später unter ihnen zusammenbrechen. In vielen Währungsräumen, die auf dem Dollar-Fundament fußen, zeigen sich bereits Verfallserscheinungen, das Investorenvertrauen schwindet, es kommt zu Kapitalflucht. Da der Großteil der Papiergeldersparnisse von der systemtreuen Banken- und Finanzindustrie verwaltet wird, ist das Ziel der Kapitalflucht der US-Dollar: Für professionelle Anleger ist der US-Dollar die attraktivste ungedeckte Papierwährung. Er ist gewissermaßen das vergleichsweise kleinste Übel, weil der Dollar die liquidesten Finanzmärkte bietet.

Das läßt den US-Dollar aufwerten. Die Folge ist eine Verknappung der Liquidität im Weltfinanzsystem. Auf den Rohstoffmärkten nehmen deshalb die Handelsaktivitäten ab. Die Preissteigerungsphantasien schwinden und schicken die Rohstoffpreisnotierungen auf Talfahrt. Das ist vermutlich auch der wichtigste Grund, warum Aluminium, Blei, Kupfer oder Nickel momentan so günstig zu haben sind. Der erstarkende Dollar dürfte zudem entscheidend zum Rückgang der Preise für Öl, Gas und Gold mit beigetragen haben.

Zudem wird Kapital aus den aufstrebenden Volkswirtschaften abgezogen, und der dortige Boom, bislang finanziert mit Auslandsgeld, erfährt eine harte Landung. Auch die hochentwickelten Länder bekommen den wiedererstarkten Dollar zu spüren – allen voran der Euro und der japanische Yen. Der Yen hat seit Anfang 2012 gegenüber dem Greenback 57 Prozent verloren, der Euro 22 Prozent seit Mitte 2014. Die Einheitswährung ist nicht wie versprochen ein Nachfolger der D-Mark, sondern taumelt dem Schicksal einer Weichwährung à la Lira entgegen. Euro-Anleger müssen damit rechnen, daß die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) den Euro entwertet oder daß der Euro-Raum auseinanderbricht – und treten die Flucht an.

Keine Alternative zur amerikanischen Währung?

Der weltweit zu beobachtende Niedergang der ungedeckten Papierwährungen – der in den künstlichen Niedrigzinsen zum Ausdruck kommt – treibt die Nachfrage nach dem US-Dollar. Denn letztlich gibt es für viele Anleger derzeit keine Alternative zur amerikanischen Währung, und so schnell wird es wohl auch keine geben. Die Macht, die Abhängigkeit vom US-Dollar, ist größer denn je. Doch auch der US-Dollar ist letztlich kein sicherer Hafen. Auch die Amerikaner werden über kurz oder lang wieder die elektronische Notenpresse anwerfen, um offene Rechnungen mit neugeschaffenem Geld zu bezahlen – das wird die Kaufkraft des Greenback schmälern. Spätestens dann werden auch wieder die Rohstoffpreise steigen.

Um künftig noch eine positive Realrendite erzielen zu können, bleibt Anlegern nur, auf Aktien von solchen Firmen zu setzen, deren Geschäftsmodelle auch bei Wirtschafts- und Währungskrisen funktionieren. Die wohl wirksamste Impfung gegen die Widrigkeiten des Papiergeldsystems ist und bleibt das Gold. Es ist „eine führende Währung. Keine Papiergeldwährung inklusive des Dollar kann sich mit ihm messen“, sagte Alan Greenspan am 29. Oktober 2014 auf einem Treffen der US-Denkfabrik Council of Foreign Relations (CFR). Und der langjährige Fed-Chef weiß, wovon er redet.

Alan Greenspans CFR-Goldrede: www.youtube.com/

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