© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/15 / 17. April 2015

„Ihr seid alles Helden“
Dresden: Mit dem Auftritt des niederländischen Islamkritikers Geert Wilders setzt Pegida auf eine europäische Vernetzung
Henning Hoffgaard / Billy Six

Lutz Bachmann ist nervös. Die Uhr tickt. Sein „Stargast“ ist noch nicht da. Anzug, Hemd, hellblaue Krawatte. Der sonst übliche schwarze Anorak blieb im Schrank. Bachmann hat sich schick gemacht. Der 42jährige steht wieder unangefochten an der Spitze der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida). Ohne ihn geht gar nichts auf der mittlerweile 23. Pegida-Kundgebung. Nachdem sich der Trägerverein über als ausländerfeindlich kritisierte Sprüche Bachmanns auf Facebook Ende Januar zerstritten hatte und die Teilnehmerzahlen zurückgingen, sah es so aus, als würde Pegida über einen harten Kern von einigen tausend Anhängern nicht mehr mobilisieren können.

Der vergangene Montag sollte die Wende bringen. Der Grund dafür hieß Geert Wilders. Nachdem es zuvor einen wochenlangen Kontakt und einige Terminschwierigkeiten gab, konnte Bachmann den niederländischen Islamkritiker als Redner gewinnen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Wilders steht seit Jahren auf den Todeslisten von Islamisten. An- und Abfahrtsweg zur etwas abseits gelegenen Dresdener „Flutrinne“ blieben geheim. In einer schwergepanzerten Limousine fährt der niederländische Oppositionsführer vor. Kurze Begrüßung, dann geht es los. „Es ist mir eine Ehre, hier zu sprechen“, sagt er in fast fließendem Deutsch. „In meinen Augen seid ihr alles Helden.“

Pegida stehe in der Tradition von Kant, Schiller und dem Hitler-Attentäter Stauffenberg. Wilders blickt ernst. Schnell kommt er auf sein eigentliches Thema zu sprechen. „Wir hassen keine Moslems. Wir lehnen die totalitäre Region des Islam ab.“ Der exzellente Rhetoriker berichtet über den islamistischen Terror in Kenia, Nigeria und Paris. Er faßt seine Schlußfolgerung mit dem Satz „Nicht alle Moslems sind Terroristen, aber fast alle Terroristen sind Moslems“ zusammen. Die Menge applaudiert. Immer wieder spricht Wilders die Zuhörer direkt an. Die Politik verharmlose die Gefahren der Islamisierung. „Wenn Sie ihre Kinder lieben, schlagen Sie Alarm.“

„Wenn Sie ihre Kinder lieben, schlagen Sie Alarm“

Ein Wort zieht sich durch seine gesamte Rede: „Freiheit“. Und die größte Gefahr für diese sieht Wilders im Islam. Den meisten Applaus erhält er allerdings bei anderen Themen. Der derzeitige Asylbewerberansturm auf Europa und insbesondere Deutschland sei eine „Katastrophe“. Kurze Pause. „Es reicht.“ Besonders groß ist die Zustimmung bei seiner Forderung, aus dem Schengen-Abkommen auszutreten und wieder Grenzkontrollen einzuführen. So schnell wie der Niederländer gekommen ist, fährt er auch wieder ab. Noch ein kurzes „Selfie“ mit Lutz Bachmann, dann steigt Wilders ins Auto. Die Rede stößt bei den Pegida-Anhängern durchaus auf gespaltenes Echo. „Was soll das ganze Gerede über den Islam“, sagt ein älterer Herr mit Rußlandflagge und winkt ab. „Eine tolle Rede. Das ist so ein mutiger Mann“, lobt dagegen eine jüngere Zuhörerin.

Sein Lob auf Israel stößt auf wenig Gegenliebe. „So reden die Juden halt“, flüstern zwei Teilnehmer in Richtung des bekennenden Atheisten. Klar ist allerdings, daß die Islamisierung nur ein Teil der vielen Themen ist, die die Menschen zu Pegida treibt. Grenzkriminalität, Asylbewerberprobleme und die Medien sind für viele wichtiger. Auch für Bachmann.

„Die Medien interessieren uns doch einen Furz.“ Bachmann sagt das allerdings erst, nachdem er sich ausgiebig über die Berichterstattung beschwert hat. Nach Bachmann folgen als Redner die Pegida-Oberbürgermeisterkandidatin Tatjana Festerling und der Verleger Götz Kubitschek. Festerling nutzt ihre Redezeit für eine „Presseerklärung“. Was sie denn als potentielle Oberbürgermeisterin für Dresden tun wolle, bleibt im dunkeln. Festerling fühlt sich vor allem von den Medien nicht verstanden. Sie kritisiert, nicht in die Landespressekonferenz eingeladen worden zu sein, auf der wenige Stunden zuvor die Kandidaten von CDU und SPD, Markus Ulbig und Eva-Maria Stange, sowie FDP-Mann Dirk Hilbert den Wilders-Auftritt als „schwarzen Tag“ für Dresden gegeißelt hatten. Nach eigenen Angaben hat Festerling bereits alle benötigten 250 Unterstützungsunterschriften für ihre Kandidatur zusammen.

Bleibt nur eine Frage: Wie viele Teilnehmer beteiligten sich bei Pegida? Die Zahl ist heiß umkämpft. Zwischen den Angaben der Polizei („einige tausend“) und der einiger Pegida-Organisatioren (mindestens 20.000) liegen Welten. Am Ende sind nach JF-Schätzungen etwa 10.000 gekommen. Die meisten aus Sachsen. Für die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), ist das eine „ernstzunehmende Zahl“. Dem standen nach Polizeiangaben etwa 3.000 Gegendemonstranten gegenüber. Die wirkliche Zahl dürfte allerdings bei lediglich 1.500 gelegen haben. Klar ist, daß die Drohung der Landesregierung, die Wilders-Rede könne zu einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz führen, verpufft ist. Wilders redet überlegt, weltgewandt, liberal.

Für die linke Szene endet der Montag mit einem Desaster. Tagelang hatte sie angekündigt, die Pegida-Kundgebung zu blockieren. Das scheiterte an der weiträumigen Absperrung durch die Polizei, die mit 1.500 Beamten im Einsatz war. Auch Räumfahrzeuge und Wasserwerfer wurden zum Schutz von Pegida aufgefahren. Nur kurz gelang es den Gegendemonstranten, zwei Straßen zu blockieren. Am nächsten kamen Wilders etwa 30 Anhänger der linken Szene.

Die Polizei verhindert eine Blockade der Kundgebung

Dreimal gibt die Polizei per Lautsprecher Anweisung, den Durchgang zur Veranstaltung freizugeben. Wütend rufen die jungen Linksextremisten in Richtung der wartenden Pegida-Anhänger: „Deutschland ist scheiße – ihr seid die Beweise!“ Mit kräftiger Stimme dröhnt eine Gruppe dunkel gekleideter Männer zurück: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“

Ein junger schwarzgekleideter Mann spielt sich als Beschützer der Linken auf und fordert aggressiv Journalisten auf, die Kameras einzupacken. Und doch: Allzu angespannt ist die Lage nicht. „Willst Du nicht auch lieber ein Bier trinken gehen?“ fragt ein Polizist in Schutzpanzerung Blockierer. Mehr oder weniger freiwillig ziehen sie einer nach dem anderen von dannen.

Von der trotzigen Parole „Wir sind die Mauer, das Volk muß weg“ bleibt nichts. Insgesamt leitet die Polizei zwölf Ermittlungsverfahren ein, unter anderem wegen Landfriedensbruchs. Zu Gegendemonstrationen hatten neben linksextremen Gruppierungen SPD, Grüne und Linkspartei aufgerufen. Grünen-Chef Cem Özdemir bedauerte in Dresden, daß sich die CDU nicht an den Protesten beteiligt habe.

Bachmann hat dagegen noch große Pläne. In der kommenden Woche soll es in Dresden aus „organisatorischen Gründen“ keine Kundgebung geben. Dafür kündigte er für den 27. April eine „Überraschung“ an.

Foto: Pegida-Teilnehmer, linke Blockierer, Kundgebungsgelände für die Wilders-Rede: Die befürchteten Straßenschlachten zwischen Linksextremisten und den mehr als 1.500 Polizisten blieben aus