© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/15 / 17. April 2015

Elf Freunde auf Bewährung
AfD: Bei ihrer Osterklausur auf der Wartburg konnte die Thüringer Landtagsfraktion ihr inhaltliches Profil schärfen, die persönlichen Differenzen aber nicht ausräumen
Marcus Schmidt

Eigentlich sollte es nur um Inhalte gehen. Hoch oben auf der Wartburg, während der Osterklausurtagung der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. Doch neben der Arbeit an den selbstgesetzten Themenschwerpunkten Familie, Bildung, Demokratie, Einwanderung und Asyl ging es in der vergangenen Woche unausgesprochen immer auch um etwas viel Grundsätzlicheres: den Zusammenhalt der elfköpfigen Fraktion.

Dieser steht spätestens seit Ende März auf der Kippe. In einem von acht AfD-Abgeordneten unterzeichneten Brief hatten diese ihre Fraktionskollegen Jens Krumpe und Oskar Helmerich aufgefordert, ihre Posten in den Parlamentsausschüssen zu räumen (JF 15/15). Grund für diese ungewöhnliche Maßnahme: Den beiden wird unter anderem mangelnde Mitarbeit und fraktionsschädigendes Verhalten vorgeworfen. Das Wort von der Spaltung macht die Runde.

Auch auf der Wartburg schwelte dieser Streit weiter, da Krumpe und Helmerich, denen zwei Wochen Bedenkzeit eingeräumt worden waren, ihren Rückzug verweigerten. Und so lag die Auseinandersetzung wie eine drohende Unwetterwolke über der inhaltlichen Arbeit, für die sich die AfD extra eine Reihe von Experten auf die Burg geladen hatte. Darunter Yvonne Blumert vom Meinungsforschungsinstitut Insa, Heiko Krüger vom Thüringer Philologenverband, Ralf-Uwe Beck vom Verein Mehr Demokratie! sowie einen russischen Botschaftsrat aus Berlin; ein ebenfalls eingeladener amerikanischer Diplomat hatte kurzfristig abgesagt.

Als Ergebnisse der inhaltlichen Arbeit während der Klausur beschlossen die AfD-Abgeordneten unter Fraktionschef Björn Höcke eine „Wartburg-Erklärung“ – einstimmig, wie es ausdrücklich hieß. In dem Papier setzt sich die Fraktion für das von der Abschaffung bedrohte Landeserziehungsgeld ein und fordert ein Familiendarlehnen, das mit jedem Kind der Familie um ein Drittel reduziert werden soll. Zudem haben sich die Abgeordneten eine „Verlebendigung“ der Demokratie auf die Fahnen geschrieben. Hierfür bringt die Wartburg-Erklärung unter anderem die Direktwahl des Ministerpräsidenten sowie eine Landtagsauflösung durch Volksentscheid ins Spiel. In der Asylpolitik dringt die Fraktion auf eine bessere Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen und auf eine konsequente Abschiebung abgelehnter Bewerber.

Die Atmosphäre bleibt weiter angespannt

Nach der Pressekonferenz am Donnerstag vergangener Woche in Erfurt, auf der die Erklärung der Öffentlichkeit präsentiert wurde, sollte in einer Fraktionssitzung schließlich der Streit mit den Abgeordneten Krumpe und Helmerich entschieden werden. Doch daraus wurde nichts. Die Entscheidung sei vertagt worden, hieß es lapidar. Nach Informationen der jungen freiheit sorgte ein Formfehler dafür, daß über die Abberufung Krumpes und Helmerichs nicht abgestimmt werden konnte. Anfang Mai will sich die Fraktion nun erneut mit dem Thema beschäftigen.

Die geplatzte Entscheidung habe die Fronten weiter verhärtet, heißt es. In Erfurt wird daher mittlerweile nicht mehr ausgeschlossen, daß Krumpe und Helmerich nach dieser Sitzung dem Landtag nur noch als fraktionslose AfD-Abgeordnete angehören werden. Schon am Rande der Osterklausur war spürbar, wie angespannt die Atmosphäre zwischen den Abgeordneten ist. Die Ursachen für die Mißstimmung sind vielfältig. Höcke spricht von „gruppendynamischen Prozessen“. Mit inhaltlichen Auseinandersetzungen habe der Streit in der Fraktion nichts zu tun. Diese Deutung wird nicht von allen geteilt. So haben Krumpe und Helmerich sowie der Abgeordnete Siegfried Gentele die maßgeblich von Höcke initiierte nationalkonservative „Erfurter Resolution“ nicht unterzeichnet. Sie setzten ihre Unterschrift stattdessen unter die „Deutschland-Resolution“ mehrerer liberalkonservativer AfD-Europaabgeordneter.

Wie angespannt die Situation in der Fraktion mittlerweile ist, zeigte sich am Dienstag. Gentele warf Höcke vor, dieser fahre lieber durch Deutschland und halte Reden, als sich um Partei oder Fraktion zu kümmern.