© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

Gabriele Krone-Schmalz polarisiert: Egomanin oder Rußlandexpertin mit Weitblick?
Die Dissidentin
Thomas Fasbender

Ahnungslosigkeit kann ihr keiner vorwerfen – mit den Russen und in Rußland kennt Gabriele Krone-Schmalz sich aus. Daß sie das Land und seine Menschen obendrein versteht, wird ihr von vielen zum Vorwurf gemacht. In den gehobenen Kreisen unserer Medien und Politik ist diese Haltung nicht sonderlich angesagt. Ihr eben erschienenes Buch „Rußland verstehen. Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens“ ist also auch ein Zeichen, daß sie gegen den Strom schwimmen kann.

Das eigenartige Land im Osten und der Journalismus prägen den Lebensweg der 1949 in Lam in der Oberpfalz geborenen Publizistin. Schon ihre Kölner Dissertation 1977 war dem westdeutschen Rußlandbild gewidmet. Ihre journalistische Laufbahn verlief im soliden Rahmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Die Älteren erinnern sich noch gut an die strenge ARD-Korrespondentin in Moskau 1987 bis 1991 mit dem bis heute charakteristischen, pfeilförmig geschnittenen Pony im (damals noch) schwarzen Haar.

Daß sie in Deutschland zur Dissidentin wurde, war nicht vorhersehbar. Es war das Resultat der bald nach Putins Amtsantritt einsetzenden schleichenden Entfremdung von Rußland, die im Feuilleton entstand, schließlich die Politik ergriff und im Volk eine anhaltende Spaltung bewirkte. Schon ihr 2007 erschienenes Buch „Was passiert in Rußland?“ spiegelt das Unbehagen damit.

Was an sich ein kostbares Talent ist, wurde unter den Bedingungen der werteorientierten Außenpolitik irrelevant: die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, die Welt und die Begriffe mit den Augen Dritter zu sehen. Das Fremde gilt nichts aus sich heraus – es muß den eigenen Maßstäben genügen. Nicht der Verstand bestimmt, wer recht hat, sondern die korrekte moralische Haltung. Wer die nicht teilt, ist Gegner. Es gibt in Deutschland Intellektuelle, die halten schon den Versuch für verwerflich, die russische Politik rational nachzuvollziehen, zu analysieren und zu begreifen.

Krone-Schmalz’ Bücher sind ein einziger Kampf gegen diese degenerierte Form von Gesinnungsethik: „Sobald sich in Rußland irgend etwas abspielt, was ‘wir’ im Westen nicht auf Anhieb verstehen, weil uns Zusammenhänge und Hintergründe fehlen, ist ganz schnell das Feindbild wieder da“, schreibt sie in „Rußland verstehen“. Für das Recht, zu verstehen – um nicht zu sagen die Pflicht – streitet sie mit aller Vehemenz. Da wird sie auch emotional. „Können Sie vielleicht mal Ihren Intellekt aktivieren!“ herrschte sie bei Maischberger einen Grünen-Politiker an.

Bei alledem ist Gabriele Krone-Schmalz nicht parteiisch; sie bietet auch keine schlichten oder populistischen Erklärungen feil. Parteiisch sind ihre Kritiker, die nicht wahrhaben wollen, daß es in jedem Konflikt eine zweite Sichtweise gibt.