© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

„Ein gravierendes Problem“
Kriminalität: Die Politik reagiert alarmiert auf Anstieg der Einbrüche in Wohnungen
Lion Edler

Es sind Zahlen, die wohl jeden Innenpolitiker beunruhigen müssen. 149.500 Wohnungseinbrüche im Jahr 2013 – der höchste Stand seit 15 Jahren. Und auch im vergangenen Jahr stiegen die Einbruchszahlen offenbar noch einmal um rund zwei Prozent auf etwa 152.000 Fälle. Das geht nach einem Bericht der Welt am Sonntag aus Angaben der Landes-kriminalämter hervor. Die endgültigen Zahlen, die sich noch minimal ändern können, will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Mai in Berlin vorstellen.

Nach den Zahlen aus den Ländern verzeichnete Bayern die höchste Zunahme von Einbrüchen gegenüber dem Vorjahr (Steigerung um 28,6 Prozent). Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, daß dahinter immer öfter international agierende Banden und reisende Täter steckten. Doch im Vergleich zu anderen Ländern bleibt Bayern relativ sicher. Das mag auch an der Aufklärungsquote liegen, die sich sehen lassen kann: 64,4 Prozent aller Straftaten werden im Freistaat aufgeklärt. Am schlechtesten schneiden diesbezüglich Hamburg (43,9 Prozent), Berlin (44,9 Prozent) und Bremen ab (45,8 Prozent).

Auch die Gesamtzahl der polizeilich erfaßten Straftaten ist 2014 gestiegen. 15 von 16 Bundesländern meldeten bislang 5,8 Millionen Straftaten (plus 2,2 Prozent), wobei die Zahlen von Rheinland-Pfalz noch ausstehen. In zahlreichen Bundesländern scheint die Zunahme auf die massiv steigenden Verstöße gegen das Aufenthalts-, das Asylverfahrens- und das Freizügigkeitsgesetz zurückzuführen zu sein, berichtet die Welt am Sonntag. Die zunehmenden Wohnungseinbrüche spiegeln eine europaweite Entwicklung: Nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat stieg die Zahl der EU-weit erfaßten Fälle zwischen 2007 und 2012 um mehr als 13 Prozent.

Die kontinuierliche Zunahme der Einbruchszahlen beschäftigt nun auch die Große Koalition. Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, brachte eine Strafverschärfung ins Gespräch. Wohnungseinbrüche müßten mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet werden, fordert der CDU-Politiker. Rückendeckung bekommt er vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Die Erfahrung zeige, „daß es die Täter dahin zieht, wo die geringsten Strafen drohen“, argumentiert der Vorsitzende des Kölner BDK-Bezirksverbands, Rüdiger Thust.

200 neue Stellen für

die Bundespolizei

Doch bei härteren Strafen soll es nicht bleiben. Der Bund erhöht die Zahl der Bundespolizisten in diesem Jahr um rund 200 Stellen, der Etat der Bundespolizei steigt um 100 Millionen Euro. Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl (CDU) kündigte zudem an zu prüfen, „wie sich die steuerliche Absetzbarkeit von Sicherungsmaßnahmen an Gebäuden verbessern läßt“. Außerdem soll der Einbau von sicheren Türen und Fenstern mit Hilfe der öffentlich-rechtlichen KfW-Bankengruppe stärker gefördert werden. Er verwies darauf, daß 40 Prozent der Wohnungseinbrüche „nicht über das Versuchsstadium hinausgehen“.

Die Chance zur Einigung mit der SPD scheint gegeben. „Die steigende Einbruchskriminalität in Deutschland stellt ohne Frage ein gravierendes Problem dar“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka. „Insofern sind wir für Vorschläge zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität offen.“

Bereits in der vergangenen Woche kam es denn auch zu einem gemeinsamen Beschluß der geschäftsführenden Fraktionsvorstände von Union und SPD. Daß in einigen Gegenden vermehrt private Sicherheitsdienste beauftragt würden, seien „alarmierende Zeichen für unseren Rechtsstaat“, heißt es in dem Papier. Als Maßnahme gegen Kriminalität wird unter anderem eine Verschärfung des Vereinsrechts angekündigt, um somit kriminellen Rockervereinen schneller das Vereinsrecht entziehen zu können. Im Jugend- und Erwachsenenstrafrecht soll außerdem das Fahrverbot als eigenständige Sanktion eingeführt werden, da eine Geldstrafe für viele Täter „kein fühlbares Übel“ darstelle.

Auch die finanzielle Förderung von Sicherungsmaßnahmen gegen Einbrüche wird erwähnt – dabei sollen nicht nur Haus- und Wohnungseigentümer, sondern insbesondere auch Mieter profitieren. „Diese Ansätze unterstütze ich ausdrücklich“, sagt dazu Bundesinnenminister Thomas de Maizière, „denn Einbruchsschutz wirkt“. Sicherheitstechnik helfe nicht nur beim Schutz vor Wohnungseinbrüchen, sondern könne auch das Entdeckungs- und Ergreifungsrisiko der Langfinger erhöhen.

Unterdessen hat die Senioren-Union der CDU den Verdacht, daß manche Politiker falsche Prioritäten setzen, was die Bekämpfung von Kriminalität betrifft. SU-Chef Otto Wulff reagierte „mit kritischer Distanz“ auf den bundesweiten „Blitzer-Marathon“ in der vergangenen Woche. Zwar seien Geschwindigkeitskontrollen zweifellos sinnvoll. Die Frage sei jedoch, „ob die Polizei derzeit nicht andere Sorgen hat. Vielen älteren Menschen jedenfalls machen Einbrecher mehr Ängste und Sorgen als die Autofahrer.“

Die steuerliche Förderung von Sicherheitsmaßnehmen sieht Wulff skeptisch. Da sich steuerliche Anreize für Rentner kaum rechneten, fordert die Senioren-Union „wahlweise eine staatliche Abwrackprämie in bar für den Austausch alter Türschlösser und verrotteter

Fenster“.