© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

Annäherungsversuche auf Facebook
CSU: Auf einer Veranstaltung des „Konservativen Aufbruchs“ nimmt der frühere Bundestagsabgeordnete Norbert Geis die Parteirebellen gegen Kritik in Schutz
Hinrich Rohbohm

Sie sind gekommen, um Dampf abzulassen. Längst hat die Veranstaltung der CSU-Basisbewegung „Konservativer Aufbruch“ (KA) im Nürnberger Restaurant Gutmann am Dutzendteich begonnen, als Helfer immer wieder weitere Stühle in den überfüllten Saal schleppen. 70 Gäste sind erschienen, darunter auch zahlreiche jüngere Parteimitglieder. Die Organisatoren hatten mit maximal 40 Leuten gerechnet.

Thema ist eigentlich die Familienpolitik, zu der der ehemalige Bundestagsabgeordnete Norbert Geis als Referent geladen ist. Doch an den Tischen der CSUler erhitzen zwei andere Ereignisse die Gemüter: der Rücktritt von Peter Gauweiler und die Verleihung der Bayerischen Verdienstmedaille an die Grünen-Politikerin Claudia Roth. „Unmöglich, was sie mit dem Peter Gauweiler gemacht haben“, schimpft einer der Gäste. „Aber die Roth in den Himmel loben, das können sie“, sekundiert ihm ein anderer sarkastisch. Der Unmut der Basis über ihre Parteiführung ist groß an diesem Abend.

Um so mehr werden von ihnen die Aktivitäten des „Konservativen Aufbruchs“ gewürdigt. Zu lange schon sei das konservative Element der Partei vernachlässigt worden. Und nun sei mit Peter Gauweiler auch noch „der letzte Schüler von Franz Josef Strauß“ von Bord gegangen. Die Parteiführung soll das streitbare Urgestein der Konservativen bedrängt haben, weiteren Rettungsmilliarden für Griechenland grünes Licht zu geben. Gauweiler reagierte mit Rücktritt, legte Bundestagsmandat und sein Amt als CSU-Parteivize nieder.

„Damit verliert der konservative Flügel der Union ein weiteres prominentes Gesicht“, unkt einer, wohl wissend, daß mit der Alternative für Deutschland längst Konkurrenz im Kampf um deren Wähler entstanden ist. In der Sache ist man hier im Gegensatz zur CSU-Führung kompromißlos. „Schmeißt die Griechen raus aus dem Euro“, fordert etwa der bekennende Jäger und Patentanwalt Jan Robert Naefe, der für den KA als Ansprechpartner in der Region München-Land fungiert. Starker Beifall bei den Zuhörern.

Ein anderes Aushängeschild der Konservativen hatte bereits vor zwei Jahren sein Bundestagsmandat nach einer parteiinternen Kampfabstimmung verloren: Norbert Geis. Der 76jährige spricht beim KA mit Leidenschaft, gestikuliert viel, zeigt sich überhaupt nicht wie jemand, der mit der Politik abgeschlossen hat.

„Ein Sprecher Seehofers

hat uns geliked“

„Ich bin davon überzeugt, daß die meisten Menschen eigentlich konservativ sind“, sagt er. Der Aschaffenburger ist zuversichtlich, daß die Parteiführung den KA letztlich akzeptieren und mit ihm konstruktiv zusammenarbeiten werde. Immerhin: „Der Sprecher von Horst Seehofer hat einen Beitrag von uns auf Facebook geliked“, erzählt KA-Vizesprecher David Bendels. Von derlei Sympathiebekundungen aus dem Seehofer-Umfeld war bisher wenig zu spüren. Mit Argusaugen verfolgt man dort die Aktivitäten der Initiative, wittert eine Kampagne gegen den Parteichef und den Versuch, die CSU zu spalten. „Das ist aber keinesfalls unsere Absicht, auch wenn das in der Presse manches Mal mißverständlich rüberkommt. Wenn von uns Kritik kommt, dann geht es um Inhalte“, stellt KA-Vizesprecher Thomas Jahn klar.

Zuvor hatte die Parteiführung mehrfach den Versuch unternommen, prominenten CSU-Größen einen Besuch von KA-Veranstaltungen auszureden. Ohne Erfolg. „Das ist ja auch ganz normal, daß man in der Parteispitze zunächst mißtrauisch ist. Da fragt man sich erstmal skeptisch, wer sind diese Leute und was wollen sie überhaupt“, meint Geis. Jedoch sei er davon überzeugt, daß Seehofer und Co. in ihren Grundüberzeugungen mit dem KA übereinstimmen.

Was die Familienpolitik betrifft, so habe der Staat wenig Möglichkeiten, die Familie zu stärken. „Wir können Männer und Frauen nicht mit aller Gewalt zusammenschweißen, das geht nicht. Deshalb hat der Staat wenig Möglichkeiten. Das Ganze ist eher eine Frage der Meinungsbildung.“ Die Union habe nie den Menschen vorgeschrieben, wie sie zu denken und zu leben habe.

Scharf kritisierte Geis die weitgehende Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe. „Das Gesetz zur Schaffung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften unterläuft die Familie“, warnt der Politiker. Eine intakte Familie steigere hingegen die Berufschancen des Kindes und sorge dafür, daß auch Wirtschaft und Gesellschaft intakt seien. Einig sind sich die CSU-Konservativen in der Ablehnung von Gender Mainstreaming. „Weiß überhaupt jemand, was das ist?“ fragt KA-Sprecherin Linda Mergner in die Runde. „Eine Schweinerei“, hallt es aus der Menge zurück. Der Saal johlt.