© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

Unterwegs zur Weltverfassung
Der Staatsrechtlers Peter Häberle faßt zusammen
Wolfgang Müller

Unter Berufung auf ein dickes Lob von El País feiert die Verlagswerbung Peter Häberle als einen der „ersten Verfassungsrechtler der Welt“. Offenbar zu Recht, blickt man auf die Übersetzung seiner Schriften in 18 Sprachen, oder auf die vielen Ehrendoktorate von Lima bis Tiflis. Trotzdem kannte man den Emeritus, der seine Karriere nicht in Bonn oder Heidelberg, sondern im randständigen Bayreuth beschloß, außerhalb des juristischen Elfenbeinturms kaum. Schlagartig berühmt wurde er erst als Doktorvater des Hochstaplers Karl-Theodor zu Guttenberg.

In seinem Alterswerk, das ihn weiter auf dem „Weg zur universalen Verfassungslehre“ sieht, deutet er diese peinliche Affäre mit unfreiwilligem Humor nur an und verweist auf seinen Aufsatz von 2003: „Verantwortung und Wahrheitsliebe im verfassungsjuristischen Zitierwesen“.

Die übrigen 800 Seiten bieten leider keine vergleichbar amüsanten Einlagen. Stattdessen breitet Häberle die Erträge lebenslanger Sammelarbeit auf dem Feld des Verfassungsvergleichs aus. Der professoral-deutschen Gründlichkeit scheint dabei kein noch so abgelegener Text entgangen zu sein. Bis in die Verästelungen des Klein- und Kleinstaaten-Kosmos treibt ihn sein „weltweiter Textstufenvergleich“. Ob jemand aus diesen brav positivistisch ermittelten, unter stetem Verweis auf eigenes Schrifttum präsentierten Materialmassen irgendwann eine „Weltverfassungslehre“ kompiliert, ist zweifelhaft.

Es fragt sich, ob sich Häberle die Fron nicht hätte sparen können, um stattdessen aus eingestreuten politischen Kannegießereien eine verfassungsrechtliche Weltformel zu entwickeln, die mit wenigen Zauberworten ausgekommen wäre: offene Gesellschaft, Freiheit, Toleranz. Und Platz für die von ihm angemahnte „Chance für den Euro-Islam“ wäre in dieser ultimativen Textstufe dann auch noch gewesen.

Es verwundert nicht, daß die Wirtschaft, die Karl Marx und Carl Schmitt gleichermaßen als Fundament jeder „wahren Verfassung“ begreifen, in diesen wirklichkeitsfernen Konstruktionen nicht vorkommt, abgesehen vielleicht vom Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft. Für Historiker ist der Wälzer gleichwohl von Wert, da er einst den Auflösungsprozeß von Staat und Staatsrecht in Deutschland kompendiös dokumentieren wird.

Peter Häberle: Der kooperative Verfassungsstaat – aus Kultur und als Kultur. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2013, broschiert, 816 Seiten, 129,90 Euro