© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Verlorene Ersparnisse
Kapitalversicherung: Nur noch ein gutes Geschäft für die Assekuranzen und Vertreter
Peter Offermann

Wer derzeit eine Kapitalversicherung als Altersvorsorge abschließt, geht ein Geschäft ein, von dem nur noch die Vertreter durch horrende Provisionen und die Versicherer selbst profitieren. Schon vor Jahren galt, lieber den Monatsbeitrag in Aktien des Hauses statt in eine Lebensversicherungspolice zu investieren. Zum einen ist die Garantieverzinsung von einst vier auf aktuell 1,25 Prozent abgesunken. Ein weiterer Grund ist, daß Versicherer starken staatlichen Regulierungen unterworfen sind. So dürfen nur geringe Anteile des Geldes in renditestarke, aber risikoreichere Anlagen wie Aktien investiert werden. Der größte Teil muß in Staats- und Firmenanleihen investiert werden.

Auszahlungsstopp mit Einzahlungspflicht

Und hier liegt das Problem: Bei unter einem Prozent für zehnjährige Bundesanleihen wird es schwierig, selbst 1,25 Prozent zu erwirtschaften. Aber griechische Anleihen mit zweistelliger Verzinsung dürften dennoch kein Thema sein. Zudem gerät der Markt für Staats- und Firmenanleihen durch die Nullzinspolitik der Notenbanken in schweres Fahrwasser. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel warnt schon vor einem Austrocknen des Anleihemarktes – sprich: solche Papiere werden immer schwieriger handelbar. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt in seinem April-Bericht zur Finanzstabilität vor einer Krise der gesamten EU-Lebensversicherungsbranche.

Streßtests zeigten, daß ein Viertel der Versicherer in einer längeren Phase mit niedrigen Zinsen nicht in der Lage wäre, ihre Kapitalanforderungen zu erfüllen. Daher versucht die Branche, die korrekt Höchstrechnungszins genannte Zinsgarantie zu kippen und gänzlich abzuschaffen – auch für Altverträge.

Kommt ein Versicherer ins Trudeln, greift schon heute der Paragraph 89 des Versicherungsaufsichtsgesetzes: Zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens kann die staatliche Aufsichtsbehörde BaFin „die Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinen Versicherungen dem Vermögensstand entsprechend herabsetzen“. Die Pflicht der Versicherten, ihre Beiträge „in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen, wird durch die Herabsetzung nicht berührt“.

Dennoch werden weiter Hunderttausende Verträge pro Jahr abgeschlossen. Aber während der Kunde kaum Rendite erhält, fährt der Abschlußagent recht gut damit. Vom Monatsbeitrag kommen lediglich 70 bis 80 Prozent tatsächlich im Vertrag an. Von 100 Euro bleiben also 20 bis 30 Euro beim Vertreter und der Versicherungsgesellschaft hängen – im Branchenjargon Verwaltungskosten genannt. Hier kommen bei Laufzeiten von über 30 bis 40 Jahren schnell ein paar tausend Euro zusammen, welche nie den Weg in den Vertrag finden. Dabei sind Anbieter längst verpflichtet den Kunden schriftlich vor Vertragsabschluß auf diese Kosten hinzuweisen. Das sollte das „Aufschwatzen“ von Policen verringern und die Beratungsqualität verbessern. Zudem wurde bei der privaten Lebens- und Krankenversicherung die Stornohaftzeit – die Zeitspanne in der die Vertreter Teile der Provision im Falle einer Kündigung zurückbezahlen müssen– deutlich nach oben korrigiert.

Längst vorbei sind die Zeiten, wo die Verträge mit Überschußbeteiligung sieben Prozent und mehr abwarfen. Zudem lauert eine weitere Gefahr: In den neunziger Jahren, als Lebensversicherungen aufgrund hoher Renditeversprechungen einen regelrechten Boom erlebten, wurden die Policen gerne zur Tilgung von Baufinanzierungen hinzugezogen. Dabei geht es um mehrere zehn-, wenn nicht hunderttausend Euro.

Probleme bei Baufinanzierungen

In vielen Fällen wurde als Tilgungsersatz nicht die sicherere Variante gewählt, also der Garantiebetrag als Ablösung der Baufinanzierung hinzugezogen. In manchen Verträgen schlummert – um es zum vermeintlichen Wohle des Kunden günstiger zu gestalten – als Ablösungsbetrag die prognostizierte gesamtverzinste und nicht garantierte Ablaufleistung. Wer vor 20 Jahren sein Eigenheim über eine Lebensversicherung finanziert hat, sollte diesen Vertrag überprüfen lassen – sonst kommt am Ende das böse Erwachen.

Lohnt sich die Lebensversicherung generell nicht mehr? Diese Aussage wäre zu pauschal. Reine Risikolebensversicherungen sind für verschiedene Situationen weiterhin unverzichtbar. Klassische Renten- und Kapitallebensversicherungen aber, bei denen der Kunde den Beitrag aus seinem Nettoverdienst in den Vertrag fließen läßt, sind mit Sicherheit keine geeignete Form mehr, um für das Alter vorzusorgen.