© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Zeitschriftenkritik: Salon
Mit Nina Hoss essen gehen
Werner Olles

Wer herausfinden möchte, was die Welt des Lifestyle- und Designerbewußtseins im Innersten zusammenhält, kommt an Salon, dem „ersten Magazin für Lebensart, Tischkultur und Gastlichkeit“, nicht vorbei. Die vierteljährlich in einem Umfang von etwa 160 Seiten erscheinende Hochglanz-Zeitschrift stellt eine ästhetisch motivierte Reinform abstrakter Individualität zwischen Realität und Illusion, Echtheit und Falschheit dar, die als Modeerscheinung in den klassischen Selbstverwirklichungsmilieus zu Hause ist. Hier meldet sich ein Fortschrittsoptimismus zu Wort, der jegliche Ahnung einer katastrophalen Zukunft verdrängt. Indem die aktuelle Ausgabe von Salon (Nr. 2, Frühjahr 2015) sich selbst mit dem Satz bewirbt: „Ein Heft wie ein gelungener Abend: inspirierend, überraschend und voller neuer Ideen“, wird die galoppierende Krise der Warengesellschaft so radikal subjektiviert, daß man als Leser geneigt ist, die infantil vor sich hin schäkernde postmoderne Unbeschwertheit als das „richtige Leben“ anzusehen. So dürfen Salon-Leser bekannte Gastgeberinnen in ihrem Zuhause besuchen, die Geschichte hinter historischen Dinners erleben und sich von saisonalen, komplett inszenierten Essenseinladungen inspirieren lassen. Als kleines Extra enthält jede Ausgabe ein separates Rezeptheft mit Anleitungen zu Gerichten aus Salon, damit auch ja niemand auf den Gedanken kommt, daß es zu anderen Zeiten so etwas wie „Politische Salons“ oder „Philosophische Salons“ gab.

Im lebensästhetischen Miteinander dürfen die Leser mit der Schauspielerin Nina Hoss essen gehen und erfahren dabei, daß sie in Berlin das Café Meierei bevorzugt, in London das griechische Restaurant Lemonia, in Paris das Hotel Amour und in New York das Café Habana, während die Food-Bloggerin Mimi Thorisson das Médoc, eine Halbinsel im Südwesten Frankreichs vorzieht, um „die ganze Welt von hier aus mit ihrem Traum vom Landleben und dem sinnlichen Kochen nach Saison zu begeistern“. Wladimir Kaminer beschreibt in seinem Essay „Reiche Russen“, wie aus Sozialisten Kapitalisten wurden und wie der ehemalige Offizier der Staatssicherheit, der vor fünfzehn Jahren in den Kreml geschickt wurde, um für Ordnung und Stabilität zu sorgen, als neuer alter russischer Präsident seinen Bürgern klarmacht, daß man nicht alles haben kann: freien Markt, Stabilität und Demokratie. Tatsächlich wollten die Bürger nicht auf den freien Markt verzichten, und die Stabilität war für den Staat unverzichtbar. So bietet die Zeitschrift für jeden etwas: die Themen der Saison als Tischgespräch, die schönen Dinge des Lebens als Designschätze, Tips für die vegetarische Hochzeitsfeier und als gelungene Stilorgie einen Besuch im Hotel Mamounia in der marokkanischen Metropole Marrakesch. Hier wurden in den goldenen Zwanzigern rauschende Feste gefeiert, Churchill gastierte über mehrere Winter, und Hitchcock drehte mit Marlene Dietrich. In dieser Top-Adresse für kultivierte Hedonisten lebt sie noch: die Magie des Orients.

Kontakt: Verlag Gruner & Jahr, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. Das Einzelheft kostet 8,50 Euro, ein Jahresabo 34 Euro.

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