© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Knapp daneben
Patrioten investieren in Aktien
Karl Heinzen

Neid macht blind, und daher wollen sehr viele nicht wahrhaben, daß auch die Reichen kein unbeschwertes Leben führen können. Unter dem Strich geht es ihnen sogar schlechter als den Durchschnittsbürgern. Über all die gewöhnlichen Sorgen des Alltags hinaus bedrückt sie nämlich eine, von der die meisten gar keine Vorstellung haben: Wie ist es anzustellen, daß das erarbeitete, geerbte oder ergaunerte Vermögen erhalten bleibt?

Die Suche nach einer Antwort kann Wohlhabende heute um den Schlaf bringen. Staatsanleihen bieten keine Rendite mehr. Immobilien in guten Lagen sind so teuer geworden, daß man auf eine Spekulationsblase schließen kann. Alles, was im Verdacht steht, eine Sachanlage zu sein, ist so begehrt, daß Phantasiepreise verlangt werden – und wer kennt sich schon wirklich in erlesenen Weinen, Teddybären, Uhren oder Kunst aus?

Seid nicht so feige, ihr

deutschen Anleger, und

kämpft gegen eure

Versicherungsmentalität an.

Sollte man aus lauter Verzweiflung also doch in Aktien investieren? Unbedingt, meint Dirk Müller, und er muß es wissen. Müller hat sich nämlich nicht nur als antiamerikanischer Verschwörungstheoretiker einen Namen gemacht, sondern auch als Aktienguru. Weil er vom Börsenparkett immer so allwissend in die Kamera guckte, trägt er den Spitznamen „Mr. Dax“. Die von ihm gegründete Website Cashkurs.com preist ihn als „Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse“. Als solcher lautet seine Botschaft: Seid nicht so feige, ihr deutschen Anleger, und kämpft gegen eure Versicherungsmentalität an.

Der Appell kommt zur rechten Zeit. Ausländische Heuschrecken haben sich über 54 Prozent der Anteile an den Dax-Unternehmen unter den Nagel gerissen. Ihr Wagnis zahlt sich nur aus, wenn sie die Papiere loswerden, bevor die Kurse wieder in den Keller fahren. Deutsche Anleger mit wenig Börsenerfahrung sind dazu prädestiniert, hier einzuspringen. Wenn die Investition sich nicht auszahlt, dürften sie sich trösten, wenigstens ihrer patriotischen Pflicht nachgekommen zu sein. Vor allem aber könnten sie wieder besser schlafen: Um Vermögen, das verloren ging, muß man sich nicht länger sorgen.