© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Der Flaneur
Starkes Gefühl nach dem Kino
Josef Gottfried

John Wick hat im Hürth-Park den gesamten Führungskader und einen Großteil des mittleren Managements der New Yorker Russenmafia getötet. Als ich Saal 7 mit den anderen Zuschauern verlasse, fällt doch auf, daß 90 Minuten Actionfilm bei vielen jungen Männern einen erheblichen Zuwachs an Muskelmasse bewirken. Jedenfalls wiegen die Schritte nach dem Film schwerer, und die Arme hängen an etwas breiteren Schultern als vorher. Ich muß schon fast seitlich gehen, um mich an den frischgebackenen Kraftpaketen vorbeizudrücken.

Er erwidert ihre Umarmung lässiger als sie und deutet ein genervtes Kopfschütteln an.

Dann ströme ich mit den anderen heraus, um an die Nachtluft zu kommen. Schräg vor mir gehen drei Jungs, 17 oder 18, ein Normaler, ein Dicker, ein Durchtrainierter. Wir sind schon draußen, als der Durchtrainierte einen Joint anzündet, daran zieht und ihn dann dem Dicken reicht.

Ich bin tatsächlich beeindruckt von der Kaltschnäuzigkeit, mit der diese Kerle ihren Drogenbesitz zur Schau stellen. Immerhin ist es erst zwanzig nach zehn am Abend, die gesamte Umgebung des Hürth-Parks ist hell erleuchtet. Und die drei (der Normale hustet etwas, als er mit dem Ziehen dran ist) machen noch nicht mal den Eindruck, daß sie etwas Riskantes oder Mutiges täten.

Und wie sie so schlendern und kiffen, sehen sie von weitem drei Mädchen, eine normal, eine dick, eine hübsch. Die Gruppen scheinen sich zu kennen, denn als die Jungs den Mädchen einige Gruß- und Scherzworte zurufen, quiekt die Hübsche plötzlich laut und freudig, rennt auf die Jungs zu und fällt dem Durchtrainierten um den Hals. Er erwidert ihre Umarmung deutlich lässiger als sie, verdreht seine Augen und deutet, an seine feixenden Freunde gerichtet, ein genervtes Kopfschütteln an. Sie bemerkt das nicht, und als sie ihn losläßt, schaut er wieder freundlich und gibt ihr einen Kuß.