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Den Crash vorhergesagt
Macht und Machenschaften: Der Dokumentarfilm „The Forecaster“ berichtet über den US-Wirtschaftsprognostiker Martin Armstrong
Sebastian Hennig

Alexandre Dumas hat in seiner berühmten Erzählung über den Grafen von Monte Christo vorgeführt, wie sich persönliches Schicksal mit der politischen Lage verstricken kann. Der Film „The Forecaster“ erzählt von dem US-Finanzanalysten Martin Armstrong bis zu dem Zeitpunkt, da er aus seinem Verlies nach einem Dutzend Jahren wieder an die Öffentlichkeit gelangt. Er hat nicht in einem Kastell im Mittelmeer geschmachtet, sondern in einem Hochhausgefängnis mitten in New York. Unterdessen wurde in den benachbarten Wolkenkratzern täglich das Kapitalverbrechen fortgesetzt, unter dessen Verdacht er eingesperrt war.

Über sieben Jahre lang wird er alle achtzehn Monate vorgeführt und die Beugehaft für weitere achtzehn Monate bestätigt, was der längste Zeitraum für eine zivilrechtliche Ordnungshaft ist. Der Rechtsbeistand wird ihm entzogen. Während der Verhandlungen wird die Presse des Saales verwiesen, eine Beweisaufnahme gibt es nicht. Selbst als die Schuld klar seinem Antipoden zugewiesen ist, kommt er nicht frei. Der zermürbte Mann geht schließlich auf einen schmachvollen Vergleich ein, der ihn für ein teilweises Schuldbekenntnis in Freiheit setzt. Ihm ist anzusehen, wie diese Jahre an ihm gezehrt haben. Doch seine Autorität als Prognostiker der Geldwirtschaft haben sie nicht angegriffen.

Als Martin Armstrong am 2. September 2011 das erste Mal wieder den Himmel über sich und Regen auf seiner Haut spürt, nimmt er den Davidskampf gegen den Goliath wieder auf, weil er weiß, daß dieser auf tönernen Füßen steht. Die Gemeinde stellt sich wieder ein, und seine Seminare sind sofort ausgebucht. Zu Beginn und am Ende des Dokumentarfilms „The Forecaster“ sitzt er in Bangkok bei einem Wahrsager. Der befragt die Karten, um seinem Gegenüber wenig Glück mit Regierungen zu attestieren. „Wenn Sie nichts mehr zu verlieren haben, haben Sie auch die Angst verloren.“

Der Film legt nahe, daß Armstrong für die Finanzbranche die gleiche Bedeutung hat wie der Budapester Arzt Ignaz Semmelweis für die Geburtshilfe. Beide haben einen primitiven Systemfehler gekennzeichnet, der zu tödlich verlaufenden Infektionen führte. Der eine wurde hoch geehrt, der andere gesellschaftlich vernichtet.

Armstrongs Firma Princeton Economics genoß große Reputation, vor allem in Japan. Sie wurde zerschlagen, weil er die Zusammenarbeit bei Geheimdienstoperationen versagte und die Regierungen eines gigantischen Anlagebetrugs bezichtigte. 1997 wies er das US-Finanzministerium auf die verheerenden Folgen seiner Politik hin. „Die Banken kontrollieren mehr oder weniger die Regierungen.“ Das verheerende Schuldensystem kollabiert, wenn mehr Menschen bezahlt werden müssen, als besteuert werden. Dann taugt nur noch ein Krieg zum Entlastungsschlag für die Gelderfinder. Armstrong hat Jahrhunderte zurückgeblickt, um das Prinzip zu verstehen. Berühmt wurde sein „Economic Confidence Model“, als er auf den Tag genau den Börsencrash von 1987 vorhersagte.

Für 2014 prophezeite er extreme Feindseligkeiten, von der Art, wie sie zu den beiden Weltkriegen geführt haben, Regierungsschulden und separatistische Tendenzen. 2016: „Die Bürger wenden sich gegen die Flüchtlinge, die versuchen reinzukommen.“ Die Schuldenkrise hält an bis 2020, dann steigen die Zinsen dramatisch. Er fordert eine Restrukturierung, „sonst wird die westliche Zivilisation ausgelöscht“.

Der Film verzichtet auf den müßigen Versuch einer populären Darlegung der Hintergründe für Armstrongs Geschick und die Zusammenhänge mit der Finanzwirtschaft. Er zeigt einfach den Zustand der mit ihm verbundenen Menschen. Da ist zuerst er selbst. Ein Mann, der vom Eingesperrtsein ganz kleine Augen bekommen hat, ferner sind da noch seine Mutter, die Tochter und die früheren Mitarbeiter. Einer hält sich damit über Wasser, daß er die Häuser und Hunde anderer Leute hütet. Ein alter Geschäftskunde bekommt ein leuchtendes Gesicht, als er von den Fähigkeiten Armstrongs berichtet, präzise die Brüche eines falschen Systems vorherzusagen.

Ein Anwalt ist die Gediegenheit in Person. Ein physisches Entsetzen bereitete ihm das Milieu der Geldhändler: „Ich hatte noch nie mit Leuten zu tun, die so plump waren.“ Er berichtet über die Machenschaften des Gerichts. Der staatlich bestellte Liquidator von Princeton Economics, Alan Cohen, ist der Schwiegersohn des Staatsanwaltes. Später wird er Vorstandsmitglied von Goldman Sachs.

Wir sehen die jüdisch-orthodoxe Trauergemeinde, die den Leichenzug des Chefs der Republic National Bank, Edmond Safra, begleitet. Deren Spezialgebiet waren Waffen und Drogen. Vor bewaffneten Konflikten tätigte sie riesige Geldverschiebungen. Die Rußlandkrise ist Safra dann um die Ohren geflogen. Auf Jelzin folgte der unberechenbare Putin. Safra wurde getötet. Armstrong meint dazu: „Dieser Club fliegt immer wieder auf die Schnauze. Auf einmal funktioniert es nicht mehr.“

Auf einem Seminar in Berlin verkündete Armstrong 2012 seinem Auditorium: „Der Euro wird abstürzen. Tut mir leid. Der Franken wird entkoppelt, und sie werden es nicht verhindern können.“ Für den 1. Oktober dieses Jahres sagt er einen großen Börsen-Crash voraus.

Kinostart: 7. Mai 2015 http://forecaster-movie.com