© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/15 / 15. Mai 2015

Baldige Spaltung nicht ausgeschlossen
AfD: Es spricht einiges dafür, daß der Richtungsstreit in der kommenden Woche in seine entscheidende Phase tritt
Marcus Schmidt

Vielleicht ist am nächsten Montag ja alles vorbei. Oder aber es beginnt erst richtig. Anfang nächster Woche könnte sich jedenfalls entscheiden, in welche Richtung es mit der AfD weitergeht. Für diesen Tag wird eine Pressekonferenz von AfD-Chef Bernd Lucke erwartet, auf der er vermutlich den letzten Versuch starten wird, die Partei vor dem Bundesparteitag am 13. und 14. Juni in Kassel auf seinen Kurs einzuschwören.

In der Nacht auf Montag schrieb Lucke eine lange E-Mail an die AfD-Mitglieder. Darin brachte er so deutlich wie selten zuvor seine Sorge um den Fortbestand der Partei zum Ausdruck, die er durch „Zersetzungsprozesse im Inneren bedroht“ sieht. Gleichzeitig drängte er auf eine Entscheidung des Führungs- und Richtungsstreites. Lucke sieht in der AfD „zwei sehr unterschiedliche Gruppen von Mitgliedern“, deren Vorstellungen nicht in Einklang zu bringen seien. Die eine Gruppe kritisiere wichtige politische Fehlentwicklungen, akzeptiere aber die wesentlichen gesellschaftlichen Grundentscheidungen. Die andere stelle diese in Frage. Mit anderen Worten: Sie stellt die Systemfrage. Diesen fundamentalen Gegensatz hält Lucke nicht für überbrückbar. „Ich glaube nicht, daß Appelle zur Geschlossenheit hier weiterhelfen. Die Grundvorstellungen dieser beiden Gruppen sind unvereinbar, auch wenn man in Einzelfragen Kompromißlösungen erreichen kann.“

Vermutlich hatte sich Lucke vieles von dem, was er in der nächtlichen Mail aufgeschrieben hat, für seine Offensive in der kommenden Woche aufsparen wollen, über die zuvor schon zahlreiche Gerüchte durch die Partei waberten. Doch ein Interview seines Co-Sprechers Konrad Adam hatte ihn am Sonntag unter Zugzwang gesetzt. „Es gibt handfeste Indizien dafür, daß Bernd Lucke sich dazu entschieden hat, die AfD zu verlassen“, hatte Adam in einem Interview gesagt und Lucke damit die Wahlparty in Bremen verhagelt. In der Partei wurde Adams Äußerunge als gezielte Zuspitzung interpretiert, mit der Lucke gezwungen werden sollte, Farbe zu bekennen.

Auf Luckes Rundschreiben, in dem dieser seinen Co-Sprechers für dessen Äußerungen über einen möglichen Parteiaustritt scharf kritisiert hatte, antwortete Adam umgehend mit einer eigenen Mail an die AfD-Mitglieder. Darin warf er dem Lucke-Lager eine Entweder-Oder Position vor: wer nicht für den AfD-Chef sei, sei gegen ihn. „Anders als Bernd Lucke und seine Gefolgschaft bin ich der Ansicht, daß sich die Partei nicht nur nach einer, sondern nach zwei Seiten hin abgrenzen muß, gegen die Rechtsausleger und die Marktdogmatiker“, schreibt Adam.

Doch wie wird es jetzt weitergehen? In der Partei gibt es nach wie vor die Hoffnung, daß sich die tief zerstrittenen Akteure vor dem Parteitag doch noch an einen Tisch setzen, um einen Kompromiß auszuhandeln. Dieser müßte ein austariertes Personaltableau für die im Juni anstehende Wahl zum Bundesvorstand enthalten, mit dem beide Lager leben könnten.

„Er will den rechten Flügel aus der Partei drängen“

Zumindest die Haltung der einflußreichen AfD-Sprecherin Frauke Petry, die sich in Kassel zur zweiten Sprecherin hinter Lucke wählen lassen will, läßt eine solche Lösung nicht gänzlich aussichtslos erscheinen. Im seit Wochen tobenden Streit in der AfD hat Petry sich bislang äußerst moderat verhalten und auf scharfe Angriffe weitgehend verzichtet. Petry, heißt es in der AfD in einer Mischung aus Anerkennung und Mißtrauen, wolle in der Partei noch etwas werden – vielleicht sogar Lucke beerben. Am Montag sagte die sächsische Fraktionschefin dem MDR: „Man muß miteinander reden, nicht spekulieren.“ Sie sehe ihre Aufgabe nun darin, die Partei zusammenzuhalten.

Doch vielleicht ist es dafür auch schon zu spät. Nicht ausgeschlossen ist, daß Lucke versuchen könnte, mit dem geplanten Auftritt in der kommenden Woche den Streit in der Partei auf die Spitze zu treiben. „Er will den rechten Flügel aus der Partei drängen“, vermutet ein Parteifunktionär. Nach dieser Lesart könnte es noch vor Kassel zu einer Spaltung der AfD kommen.