© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/15 / 15. Mai 2015

Finanzminister Schäuble will „kalte Progression“ entschärfen
Leere Versprechen
Ronald Gläser

Bei Maybrit Illner vor einer Woche war Peter Altmaier ganz aus dem Häuschen. Im Pluralis majestatis verkündete er, was Finanzminister Wolfgang Schäuble zuvor angekündigt hatte: „Heute haben wir erklärt, daß wir die Steuern senken werden. Das erwarten die Leute von uns – und zwar völlig zu Recht.“ Der Kanzleramtsminister meinte die „kalte Progression“, deren Abmilderung Schäuble zuvor avisiert hatte. Das war bemerkenswert, denn zuvor hatte sein Ministerium die Existenz jener Steuermehrbelastung stets kleingeredet.

Doch allein für den jämmerlichen Vorschlag, den er unterbreitet hat, gehört der Finanzminister in den Ruhestand versetzt. An dem Tag, an dem er Mehreinnahmen in Höhe von 38 Milliarden Euro verkündete, schlug er eine Steuersenkung in einer Größenordnung von nur 1,5 Milliarden Euro vor. Das macht je nach Schätzung nur etwa 40 bis 85 Euro für den Durchschnittssteuerbürger pro Jahr. Das ist zu wenig. Ein Taschengeld.

Selbst wenn sein Steuersenkungsplan 25mal so hoch ausfiele wie angekündigt, so hätte er noch immer genausoviel Geld in der Tasche wie vorher. Warum? Weil die unersättlichen Finanzämter aus den Deutschen jedes Jahr mehr herauspressen als im Vorjahr. Besonders unfair ist, daß der Bürger einen um so höheren Steuersatz hat, je mehr er arbeitet und verdient. Echte Gerechtigkeit verspricht nur eine radikale Kehrtwende in der Steuerpolitik. Diese müßte so aussehen: Der Staat verabschiedet sich von dem ungerechten, ansteigenden Steuertarif, der jedem Steuerpflichtigen bei Einkommenszuwächsen nicht nur höhere Steuern auferlegt, sondern auch noch einen höheren Steuersatz. Dies geht nur bei Einführung einer Pauschalsteuer.

Bei einer „Flat Tax“ hätten alle Bürger einen einheitlichen Steuersatz, was mitnichten dazu führen würde, daß Geringverdiener genausoviel bezahlen müßten wie Gutverdiener. Zehn Prozent von 50.000 Euro sind immer noch mehr als zehn Prozent von 20.000 Euro. Der zweite große Vorteil, den die Einheitssteuer neben dem Wegfall des gangstermäßigen Steueranstiegs bringen würde, wäre die Vereinfachung. Schneller als bisher könnte sich der Normalsteuerbürger selbst ausrechnen, wie hoch seine Steuerlast am Ende sein wird. Viele sind in der Lage, ihr zu versteuerndes Einkommen selbst zu ermitteln. Aber seinen individuellen Steuersatz kennt niemand. Das wäre mal eine Revolution im Steuerrecht – und nicht die Schmalspur-Reform, die uns Wolfgang Schäuble jetzt vielleicht beschert.

Wenn überhaupt! Noch ist unklar, ob die Pläne Wirklichkeit werden. Normalerweise geht das Ministerium damit gezielt an die Öffentlichkeit. Diesmal gab es nur eine zweiminütige Ankündigung auf der Pressekonferenz zum Thema Steuerschätzung. Und die war sicherlich nicht zufällig drei Tage vor der Bremer Bürgerschaftswahl. Es wäre nicht das erste Mal, daß ein Steuersenkungsversprechen nach der Wahl wieder kassiert wird. Im Kassieren ist Schäuble ganz groß.