© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/15 / 15. Mai 2015

Auserwählte und Verdammte
Ausstellung: „Hieronymus Boschs Erbe“ im Residenzschloß Dresden
Wolfgang Kaufmann

Der niederländische Maler Hieronymus Bosch (eigentlich Jheronimus van Aken, etwa 1450–1516) hat der Nachwelt mit seinen Tafelbildern und Triptychen ein ebenso faszinierendes wie kryptisches Œuvre hinterlassen. Man betrachte nur einmal „Die sieben Todsünden“, „Das Jüngste Gericht“ oder den „Garten der Lüste“ – da wimmelt es von absonderlichen und schwer zu interpretierenden Details und Figuren.

Meist arbeitete Bosch dabei für weltliche Auftraggeber wie Margarete von Österreich und den Regenten der Niederlande, Philipp I. von Habsburg. Trotzdem waren die Werke des Renaissance-Malers eindeutig religiös inspiriert, schließlich gehörte er zum inneren Zirkel der Bruderschaft Unserer Lieben Frau in seiner Heimatstadt ’s-Hertogenbosch. Allerdings verfertigte der strenggläubige Bosch nicht die üblichen erbaulichen Heiligenbilder, sondern zutiefst symbolgesättigte, mystische Darstellungen, in denen vor allem Sünder und furchterregende Kreaturen zu sehen sind, welche den ersteren aufs übelste zusetzen. Der Künstler wählte diese Motive, um den Menschen vor Augen zu führen, was ein gotteslästerliches Leben für entsetzliche Folgen haben könne.

Das alles kam bei Boschs Zeitgenossen überaus gut an – auch und gerade wegen der Drastik der Werke; hier bieten sich Vergleiche mit modernen Horrorfilmen an, welche ebenfalls bei entsprechend disponierten Personen für ein wohliges Gruseln sorgen. Deshalb traten bald Nachahmer auf den Plan, die seinen Stil kopierten. Manche der sogenannten „Höllen- und Teufelsmaler“ waren freilich nur mediokre Trittbrettfahrer, denen es um das schnelle Geld ging, andere hingegen schufen Kunstwerke, in denen Boschs Bildvokabular gekonnt adaptiert und kreativ variiert wurde.

Ein typisches Beispiel hierfür ist Pieter Bruegel der Ältere, dessen Kupferstiche und Federzeichnungen wie „Die sieben Laster“ oder „Die großen Fische fressen die kleinen“ ausgesprochen stark an Bosch gemahnen, aber eben nicht einfach nur als uninspirierter Abklatsch daherkommen. Diesen talentierteren Epigonen des Künstlers widmen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nun die Sonderausstellung „Hieronymus Boschs Erbe“, welche noch bis zum 15. Juni im Residenzschloß der sächsischen Landeshauptstadt zu sehen ist. In modifizierter Form soll sie dann 2016 in Luxemburg gezeigt werden.

Anlaß zu der Exposition bot der 2012 erfolgte Ankauf des meisterlichen Kupferstichs „Die Endzeit, Himmel und Hölle“ nach Art eines Triptychons von Bosch. Dieses Kunstwerk entstand um 1560 in Antwerpen, der Hochburg der Verehrer des zu diesem Zeitpunkt schon verstorbenen Malers, und wurde dann vom Verlag Aux Quatre Vents von Hieronymus Cock und Volcxken Diericx in mehreren Auflagen verbreitet, wobei jedoch offenbar nur ein einziges Exemplar des Drucks unzerschnitten blieb – und genau das ist nun in Dresden zu sehen.

Der Stich aus dem Atelier von Cornelis Cort zeigt das Jüngste Gericht als chaotisches Kampfgetümmel in surrealer Atmosphäre und steht aus Sicht der Ausstellungsmacher für die Zweifel der nachreformatorischen Ära an den Lehren der Kirche, in denen immer von einer systematischen und geordneten Trennung von Auserwählten und Verdammten die Rede ist. Dem wäre jedoch entgegenzusetzen, daß Corts Werk auch sehr stark an Alaert du Hamels „Jüngstes Gericht“ erinnert, das auf jeden Fall vor 1506 und somit vor dem Aufkommen der Reformation entstand.

Rund um das neuerworbene Prachtstück, das durchaus in einer etwas besucherfreundlicheren Höhe hängen könnte, denn es ist ja nur 35 mal 50 Zentimeter groß, haben die Ausstellungsmacher um den Kurator Tobias Pfeifer-Helke weitere 40 Kupferstiche sowie Bücher, Gemälde und kunsthandwerkliche Objekte gruppiert, welche allesamt aus der Zeit zwischen 1550 und 1700 stammen und irgend etwas Boscheskes aufweisen sollen. Bei den beiden Ölbildern von Battista Dossi und David Teniers sucht man das freilich dann doch vergeblich.

Die Themen sind dabei wieder – wie sollte es anders sein – die Hölle und all jene Todsünden, welche geradewegs in dieselbe führen, sowie Endzeitvisionen und Phantasiewelten. Besonders hervorzuheben sind dabei die Werke von Hendrik Hondius, Philipp Galle und Pieter van der Heyden, von dem auch ein Stich zu sehen ist, welcher aller Wahrscheinlichkeit nach Bosch zeigt.

Dem schließt sich im Nebensaal der Exposition ein Sammelsurium von Kunstblättern aus dem Verlag von Cock an, auf denen samt und sonders grotesk karikierte Bettler, Krüppel und Narren abgebildet sind. Letztere galten seinerzeit als notorische Gottesleugner und wurden daher besonders unvorteilhaft dargestellt. Mit diesen Konterfeis ergibt sich dann auch der Bezug zu Sachsen, denn nicht wenige davon stammen von dem lothringischen Zeichner und Kupferstecher Jacques Callot, dessen ebenso unheimliche wie skurrile Schöpfungen am Dresdner Hof überaus beliebt waren.

Die Ausstellung „Hieronymus Boschs Erbe“ ist bis zum 15. Juni im Residenzschloß Dresden, Taschenberg 2, täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Tel.: 03 51 / 49 14 20 00

www.skd.museum/de