© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/15 / 15. Mai 2015

Knapp daneben
Liberland hat eine Zukunft
Karl Heinzen

Wo in den beschaulichen Zeiten des Kalten Krieges das blühende Jugoslawien die Hoffnung auf einen dritten Weg zwischen Ost und West suggerierte, stößt man heute auf einen Flickenteppich aus staatsähnlichen Gebilden, die den Anschluß an die Zukunft verpaßt haben. Ginge es nach dem Willen von Vít Jedlička, dürfte im Armenhaus unseres Kontinents bald eine weitere Nationalflagge wehen.

Jahrelang hat der gebürtige Tscheche in seinem Herkunftsland für niedrigere Steuern und eine schlankere Verwaltung gestritten. Seine lethargischen Mitbürger wollten sich jedoch partout nicht aufrütteln lassen. Da Jedlička niemanden zu seinem Glück zwingen möchte, hat er sich nun einer anderen Aufgabe verschrieben: Wenn der eigene Staat nicht reformiert werden kann, muß man eben einen neuen gründen.

Glücklich sind nur die Bürger virtueller Staaten, weil sie von der Last befreit sind, zusammenleben zu müssen.

Dessen Name, „Liberland“, steht bereits fest, und auch ein geeignetes Territorium wurde in einer Donauschleife im Niemandsland zwischen Kroatien und Serbien gefunden. Mit einer Fläche von sieben Quadratkilometern ist es sage und schreibe dreimal so groß wie Monaco. Die Voraussetzungen für einen lebensfähigen Mikrostaat sind damit gegeben. Als Manko kann lediglich gelten, daß Liberland bislang unbesiedelt ist. Im Internet haben zwar schon 300.000 Menschen das Interesse an einer Einbürgerung bekundet. Die kroatischen Behörden erschweren aber die Einreise, obwohl sie doch über jedes Fleckchen Erde froh sein müßten, für das sie nicht mehr die Verantwortung zu tragen haben.

Froh sollte aber auch Jedlička sein, weil es ihm erspart bleibt, daß seine Ideale beim Versuch, sie zu verwirklichen, besudelt werden. Zu den wenigen gesicherten Erkenntnissen aus einer mehrtausendjährigen Weltgeschichte gehört, daß die Menschen nicht in der Lage sind, eine halbwegs vernünftige und harmonische Ordnung dauerhaft zu organisieren. Wo Staaten Gestalt annehmen, ist Staatsverdrossenheit die Folge. Liberland kann diesem Schicksal entrinnen, wenn es sich konsequent der Praxis verweigert. Glücklich sind nur die Bürger virtueller Staaten, weil sie von der Last befreit sind, zusammenleben zu müssen.