© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Angriff aus dem Internet
Marcus Schmidt

Der Angriff erfolgte völlig lautlos. Doch er versetzte die deutschen Sicherheitsbehörden in Aufregung. Unbekannte Täter starteten in der vergangenen Woche einen massiven Angriff auf das Computernetz des Bundestages und versuchten in das Datennetz einzudringen.

Ihr Ziel nach Einschätzung der IT-Spezialisten des Parlamentes, die umgehend das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) einschalteten: an gespeicherte Informationen heranzukommen. Sicherheitshalber seien daher Teile des Bundestagssystems zeitweise heruntergefahren worden, berichtete Spiegel Online. Darunter offenbar auch Laufwerke des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der BND/NSA-Spionageaffäre.

Es war der bisher schwerwiegendste Hacker-Angriff auf das Datennetz des Bundestags. „Aus betrieblichen Gründen treten derzeit Einschränkungen bei der Bereitstellung von IT-Diensten und Anwendungen auf“, hieß es dazu kurz und knapp im Intranet des Bundestages. Am vergangenen Wochenende schließlich schlug Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau auch öffentlich Alarm, nachdem die Bundestagsfraktionen über den Vorfall unterrichtet worden waren.

Die Linkspartei-Politikerin, die auch Vorsitzende der IT-Kommission des Bundestages ist, informierte die Medien über den beispiellosen Computer-Angriff auf das Parlament: „Wir versuchen, alles dicht zu halten“, versicherte sie der Mitteldeutschen Zeitung. „Und ich habe keine Hinweise darauf, daß irgendwelche Informationen abgeflossen sind.“ Eine Einschätzung, die unter IT-Experten für ein müdes Lächeln sorgte. Einen besonderen Angriff auf den NSA-Untersuchungsausschuß könne sie nicht bestätigen, fügte Pau hinzu. Es sei eher ein Angriff, um offensichtlich Überlast herzustellen und auf diesem Wege einzudringen. Das sei den Angreifern aber nicht gelungen. Experten halten diesen Optimismus indes für verfrüht. Niemand unternehme heute noch einen Überlastungsangriff auf ein Computernetzwerk ohne Hintergedanken. So könne der Angriff der Ablenkung dienen, um zu einem späteren Zeitpunkt an anderer Stelle unbemerkt in das Netz einzudringen, hieß es.

Anfang des Jahres hatte es bereits einen ähnlichen Angriff gegeben. Damals waren die Internetseiten von Bundeskanzleramt und Bundestag durch einen Hackerangriff stundenlang lahmgelegt worden. Zu der Attacke bekannte sich eine prorussische Hacker-Gruppe aus der Ukraine mit dem Namen CyberBerkut. Sie begründete ihr Vorgehen mit Deutschlands finanzieller Unterstützung für die Ukraine. Wer hinter dem aktuellen Angriff steht, ist dagegen bislang nicht bekannt.

Auch im vergangenen Jahr war das Berliner Regierungsviertel mehrmals Ziel von Cyper-Attacken. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik registrierte 2014 jeden Tag 15 bis 20 Angriffe auf das Regierungsnetz. Durchschnittlich einmal am Tag habe es „einen gezielten Angriff mit nachrichtendienstlichem Hintergrund“ gegeben, schreibt das BSI in seinem Lagebericht, berichtet die Welt.