© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Trzymajcie zlodzieja! Haltet den Dieb!
Grenzkriminalität: Die Bundesregierung versucht durch Polizeiabkommen mit Polen und Tschechien, Dieben und Drogenhändlern das Handwerk zu legen
Paul Leonhard

Das Leben im deutsch-tschechischen und deutsch-polnischen Grenzgebiet soll wieder sicher und die Drogeneinfuhr weitgehend unterbunden werden. Deswegen haben Prag und Warschau mit Berlin bilaterale Verträge geschlossen, die das grenzüberschreitende Agieren der Polizei regeln.

In Kraft getreten ist bisher allerdings keines dieser Abkommen. Dem Mitte Mai 2014 mit viel medialer Aufmerksamkeit im polnischen Teil der niederschlesischen Stadt Görlitz (Zgorzelec) unterzeichneten deutsch-polnischen Polizeiabkommen haben inzwischen die Bundesländer zugestimmt. Voraussichtlich soll es im Sommer in Kraft treten. Dann heißt es grenzübergreifend „Trzymajcie zlodzieja!“ (polnisch für „Haltet den Dieb!“) Das Ende April von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und seinem tschechischen Amtskollegen Milan Chovanec in Prag beschlossene deutsch-tschechische Polizeiabkommen soll ab 1. Januar 2016 gelten, was angesichts des bürokratischen Aufwandes illusiorisch erscheint.

Ohnehin seien beide Abkommen nur sinnvoll, wenn sie „mit Leben erfüllt werden“, wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erinnert, der auch Polenbeauftrager der Bundesregierung ist. Woidke rechtfertigt das mühevolle Zusammenfinden deutscher und polnischer Sicherheitskräfte mit den unterschiedlichen Rechtssystemen in beiden Ländern. Mit einem aus Brandenburger und Grünberger Kriminalisten und Staatsanwälten bestehenden Ermittlungsteam habe man im vergangenen Jahr Dutzende Autodiebe ermitteln können und Pionierarbeit geleistet.

Zahl der Einbrüche unvermindert hoch

Allerdings mußte die Arbeit nach einem Jahr beendet werden, und noch immer müsse „jede neue gemeinsame Ermittlungsgruppe einzeln an den Start“ gebracht werden“, sagte Woidke der Märkischen Oderzeitung. Das Interview erschien dem Auswärtigen Amt als so wichtig, daß es dieses auf seiner offiziellen Internetseite präsentiert. Auch im benachbarten Sachsen behilft man sich mit immer neuen binationalen Ermittlungsgruppen, die durchaus Erfolge aufweisen, deren rechtliche Basis aber nicht immer sicher ist.

Sorgt die unvermindert hohe Zahl von Wohnungseinbrüchen und Autodiebstählen für eine permanente Unsicherheit bei den Grenzlandbewohnern, so ist die Kriminalität für die Gewerbetreibenden längst existenzbedrohend. Allein Brandenburger Betrieben in der Grenzregion sind 2014 mehr als zwei Millionen Euro Schaden durch Einbrüche und Diebstähle entstanden. Zugenommen hat der Diebstahl von Baumaschinen sowie landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten. Angesichts der großen wirtschaftlichen Schäden für die Landwirte und einer Aufklärungsquote von 9,2 Prozent fordert selbst Ursula Nonnemacher, parlamentarische Geschäftsführerin der Bündnisgrünen im Potsdamer Landtag, „die kriminalpolitische Ermittlungsarbeit im Land zu stärken“.

In Sachsen plädiert der Landtagsabgeordnete Octavian Ursu für eine Videoüberwachung der Neißebrücken. Der Christdemokrat begründet das mit der hohen Kriminalitätsbelastung, der die Menschen in seiner Heimatstadt Görlitz ausgesetzt sind, deren historische Altstadt durch Buntmetalldiebe weitgehend „abgekupfert“ ist: „Die Brücken werden von den Kriminellen als Fluchtwege genutzt.“ Videokameras würden die Ermittlungsarbeit erleichtern und abschrecken.

Deutsche Strafverfolgung schreckt nicht ab

Letzteres darf bezweifelt werden. Denn die deutsche Strafverfolgung schreckt tschechische, polnische und erst recht südosteuropäische Straftäter nicht ab. Beinahe täglich können Bundes- und Landespolizisten dank aufmerksamer Anwohner Einbrecher und Diebe auf frischer Tat stellen. Allerdings müssen diese dann nach Aufnahme der Personalien – entsprechend deutscher Rechtslage – wieder laufengelassen werden, selbst wenn es sich um erfaßte Mehrfachtäter handelt. In den Nachbarländern wird viel härter durchgegriffen.

Angesichts der Kriminalitätsentwicklung hat sich Sachsen inzwischen von dem Slogan verabschieden müssen, der Freistaat sei eines der sichersten Bundesländer. Die Anzahl der registrierten Straftaten steigt kontinuierlich an. In einem nicht veröffentlichten Länderranking sei Sachsen von Platz vier im Jahr 2009 auf Platz zehn 2013 gesunken, weiß Hagen Husgen, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Seitdem sei die Zahl der Straftaten weiter angestiegen. Daß das auch mit dem Stellenabbau der Polizei zusammenhängt, zeigt die Praxis in Brandenburg: Konzentriert sich das Innenministerium beispielsweise auf die Aufklärung von Autodiebstählen, sinkt auf anderen Gebieten sofort die Aufklärungsquote.