© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Mit harter Hand gegen Schlepper
Illegale Migration im westlichen Afrika: Madrid kooperiert seit Jahren erfolgreich mit dem Senegal und Marokko / Flüchtlingsströme gestoppt
Michael Ludwig

Weitgehend unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit reiste der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy zu einem Besuch in die senegalesische Hauptstadt Dakar. Der Regierungschef traf nicht nur Politiker zu bilateralen Gesprächen, sondern auch Angehörige der spanischen Streitkräfte und der Polizeitruppe Guardia Civil, die im Senegal weitgehend geräuschlos und sehr effektiv dafür sorgen, daß die Migrantenströme aus den Staaten südlich der Sahelzone sich nicht über die Kanarischen Inseln ergießen.

Das ist nicht immer so gewesen. Vor zehn Jahren tauchten wie aus dem Nichts afrikanische Bootsmigranten an den Stränden von Gran Canaria auf und schockten die dort badenden Touristen. Waren es 2005 rund 5.000 Immigranten, die an den Ufern des zu Spanien gehörenden atlantischen Archipels strandeten, schwoll ihre Zahl ein Jahr später auf 32.000 an. Doch dann setzte überraschend eine Trendwende ein – 2007 war es nur noch die Hälfte, und 2011 kletterten lediglich 340 Schwarzafrikaner aus ihren Booten.

Was war geschehen? Sicher ist, daß die Wirtschaftskrise dazu beitrug, Spanien für Armutsflüchtlinge weniger attraktiv zu machen – entscheidend aber war das Abkommen, das die EU 2006 mit dem Senegal abschloß. Es erlaubt Spaniens Marine, direkt vor senegalesischen Ufern zu kreuzen und so abschreckend zu wirken. Das allein genügt nicht. Eine direkte Wirkung erzielen die regelmäßigen Kontrollen der senegalesischen Polizei, die von der EU mit Schnellbooten, Hubschraubern, Nachtsichtgeräten und den erforderlichen Kommunikationsmitteln ausgerüstet wurde.

Die Aufgabe des spanischen Kontingents ist es, ihre afrikanischen Kollegen an dem komplizierten technischen Gerät auszubilden und die Einsätze gegen die Schleuser zu koordinieren. Rund 4.000 Angehörige der spanischen Sicherheitskräfte sind dort stationiert.

Anders als in Libyen, wo sämtliche staatliche Strukturen zusammengebrochen sind, hält die Regierung in Dakar die Zügel fest in der Hand und erweist sich als verläßlicher Verhandlungspartner. Dennoch hegt Madrid keine Illusionen darüber, worauf man sich eingelassen hat. „Der Kampf wird lange dauern“, erklärte Rajoy vor spanischen Soldaten.

Nicht in Lampedusa, sondern in Andalusien müßten eigentlich jeden Tag Tausende von Armutsflüchtlingen europäischen Boden betreten. Daß dies nicht geschieht, liegt zum einen an den diversen Abkommen, welche die EU mit Marokko abgeschlossen hat, um Migrationsströme bereits im Vorfeld zum Versiegen zu bringen, zum anderen an den engen Beziehungen zwischen Marokko und Spanien, deren Königsfamilien miteinander befreundet sind.

2003 erließ die marokkanische Regierung ein Gesetz, das nicht nur illegal ins Land Gekommene bestraft, sondern auch Einheimische, die sie aufnehmen oder ihnen bei der Durchreise behilflich sind. Zwei Jahre später wurden aufgegriffene Immigranten ins Niemandsland zwischen Marokko und Algerien abgeschoben, im August 2006 verabschiedete die europäisch-afrikanische Migrationskonferenz in Rabat einen weiteren Aktionsplan, der die Rückführung in die Herkunftsländer mit einschloß. Die immer schärfer werdende Kontrolle und die konsequente Anwendung der Vereinbarungen mit der EU führten dazu, daß die Migrationsströme den Umweg über den Senegal wählten, um von dort aus die Kanaren zu erreichen.

Marokkos König Mohammed VI. läßt sich seine Kooperationsbereitschaft gut bezahlen. Zwischen 2007 und 2013 erhielt er aus der EU-Kasse rund 600 Millionen Euro, von denen 70 Millionen für die Grenzsicherung bestimmt waren.