© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Vom Mantra schädlicher Massenzuwanderung: Schweizer Überfremdungsabwehr
Regierbarkeit leicht gemacht
(tj)

Vor bald 100 Jahren entstand die „Eidgenössische Fremdenpolizei“, weil 1917 der Zustrom politischer Exilanten, Agenten, Spione und Geschäftemacher, die es aus allen kriegführenden Staaten Europas in die neutrale Schweiz zog, zu bedrohlicher Unübersichtlichkeit angeschwollen war. Aus diesem Ursprung im Ersten Weltkrieg rühre, so glaubt der in Basel lehrende Soziologe Esteban Piñeiro, die lange Tradition der Schweizer „Überfremdungsabwehr“ her (Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, 1/2015). Allein zwischen 1965 und 1974 seien fünf Volksbegehren gegen Überfremdung initiiert worden. Konsequent perpetuiere sich das „Mantra der schädlichen Massenzuwanderung“ auch in dem erfolgreichen Volksbegehren der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei vom Februar 2014 sowie in der auf rigorose Begrenzung der Nettozuwanderung gerichteten Initiative der „Vereinigung Umwelt und Bevölkerung“ vom 30. November 2014. Der Kampf gegen den Migrationsdruck gehorche jedoch seit den 1990er Jahren nicht mehr ausschließlich dem defensiven Muster vom „kriminellen, sozial schmarotzenden Ausländer“. Denn nach dem Souveränitätsverlust durch eine EU-konforme Ausländerpolitik hätten die Bundesbehörden stärker auf Integration setzen müssen, um die „Regierbarkeit der Bevölkerung“ zu gewährleisten.

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