© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Frisch gepresst

Johannes Popitz. Mit dem Diplomaten Ulrich von Hassell und dem 1936 abgelösten Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler bildete der preußische Finanzminister Johannes Popitz den Kern der nationalkonservativen Fraktion des Widerstands vom 20. Juli 1944. Nachdem Reimer Voß 2006 den Werdegang des bedeutenden Steuerrechtlers Popitz ausführlich gewürdigt hat (JF 21/07), nimmt die Gießener Neuhistorikerin Anne C. Nagel nun erneut Anlauf, um das Material des Nachlasses im Bundesarchiv zur Biographie zu arrangieren. Im Vergleich mit Voß, der die Hinrichtungen von Popitz und seinen Mitverschwörern fast erleichtert vermerkt, weil sie den Deutschen nach 1945 das „Glück“ einer von Nationalkonservativen befreiten Zukunft beschert hätten, verzichtet Nagel auf ähnliche Ausfälle. Das kommt wissenschaftlicher Objektivität wie Lesbarkeit zugute. Aber diese Vorzüge entschädigen nicht für die Enttäuschung über Defizite bei der Darstellung der zentralen Rolle, die Popitz als wichtigster Finanzpolitiker der Weimarer Republik und ab 1933 als Hermann Görings „Geldbeschaffer“ gespielt hat. (ob)

Anne C. Nagel: Johannes Popitz (1884–1945). Görings Finanzminister und Verschwörer gegen Hitler. Eine Biographie. Böhlau Verlag, Köln 2015, 251 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro





Atlantik-Brücke. Der litauische Publizist Algis Klimaitis wertet die Transatlantische Freihandelszone (TTIP), die Abhörpraktiken der US-Geheimdienste („NSA-Affäre“) sowie die Ukraine-Krise nur als alternierende Phänomene derselben geopolitischen Strategie, mit der die USA ihre Position als Hegemon Europas ausbauen wollen. Um aber zu verhindern, daß Warenfetischismus, Genderideologie, Finanzwettwirtschaft oder Einwanderung die historisch gewachsene Vielfalt europäischer Kulturnationen mit ihren Traditionen, Sprachen, Mentalitäten „zersetzen“ und den Kontinent zum Tummelplatz des „durchglobalisierten Konsumenten“ herabdrücken, sollte sich Europa statt an die USA eher an Rußland anlehnen und den „West-Ost-Europäischen Wirtschaftsraum“ schaffen, den die USA derzeit mit ihrer präventiven Ukraine-Intervention zu torpedieren versuchen. Würde stattdessen die Brüsseler „Atlantik-Brücke“-Politik fortgesetzt, erfüllten sich Visionen von US-Neocons wie Michael Ledeen, die davon träumen, „jeden Tag die alte Ordnung zerstören“ zu können. (dg)

Algis Klimaitis: Europäischer Kontinentalismus. Wo steht Europa im fragwürdig gewordenen Transatlantismus? Österreichisches Medienhaus, Millstadt 2014, broschiert, 96 Seiten, 10 Euro