© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Knapp daneben
Es gibt Wichtigeres als Wahlen
Karl Heinzen

Mit Bremen verbinden die meisten Deutschen Namen wie Dieter Burdenski, Frank Neubarth oder Dieter Eilts. Um wen es sich bei einem „Jens Böhrnsen“ handeln soll, wissen sie allerdings nicht zu sagen. Er steht nur im Kader der Politik, und auf diesem Gebiet ist Bremen bestenfalls Regionalliga. Kaum einer weiß, daß sich die Gründerväter unserer föderalen Ordnung den Scherz erlaubt haben, diese Fläche irgendwo im Norden an der A1 als Bundesland auszugeben und diesem auch noch, wahrscheinlich, weil der Name so ähnlich klang, die Ortschaft Bremerhaven zuzuschlagen.

Da es nun einmal so ist, wie es ist, müssen auch in Bremen in schöner Regelmäßigkeit Landtagswahlen abgehalten werden. Spaß macht das allerdings nicht. Nur jeder zweite Stimmbürger wollte am jüngsten Wahltag seine Freizeit für das lästige Ritual opfern.

Der hohe Alkoholkonsum der Bildungsbürger würde so manchen Wahlausgang nicht nur in Bremen erklären.

Für die Abstinenz gab es aber gute Gründe. Andere, weit wichtigere und spannendere Entscheidungen banden an diesem Wochenende die Aufmerksamkeit. Werder Bremen hatte im Auswärtsspiel bei Hannover 96 die Chance, den Euro-League-Rängen näher zu rücken. Bei GNTM stand die Qualifikation für das Finale an. Die Frage, ob die Jury der markanten Ajsa den Vorzug vor der zickigen Darya geben würde, bewegte die Herzen mehr als das plätschernde Duell zwischen dem blassen Jens und der biederen Elisabeth.

Wahlanalysen zeigen, daß in Bremen vor allem die sozial Schwachen fernblieben. Wer keine oder wenig Steuern zahlt, muß sich über deren Verwendung auch keine Gedanken machen. Alle Diskussionen, ob man das Wahlrecht von Empfängern staatlicher Transferleistungen einschränken sollte, sind überflüssig: Die Betreffenden üben freiwilligen Verzicht. Zudem müßte man nicht nur Armen, sondern auch Rentnern und Beamten das Wahlrecht nehmen.

Sorgen bereiten indes die Zweifel, ob Bürger mit gehobenem Bildungsniveau tatsächlich vernünftiger wählen. Einer frischen OECD-Studie zufolge sind es gerade sie, die zu übermäßigem Alkoholkonsum neigen. Dies würde so manchen Wahlausgang, nicht nur in Bremen, erklären.