© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

„Mehr Deutschland für Europa“
Die Wall AG gehört zu den erfolgreichsten deutschen Mittelständlern. Nun engagiert sich Firmengründer Hans Wall für die AfD
Moritz Schwarz

Herr Wall, bereuen Sie es inzwischen, Mitglied der AfD geworden zu sein?

Wall: Wenn es die AfD nicht gäbe, müßte sie erfunden werden!

Aber die Partei ist von Streit zerrissen.

Wall: Weil Herr Lucke bei der Positionierung der AfD keine Kompromisse macht, sondern dafür kämpft, daß die AfD eine Partei der politischen Mitte ist und auch in Zukunft bleiben wird. Das ist ein gerechter Streit, bei dem es nach meiner Meinung nur einen Sieger geben wird: die AfD!

Liberale gegen Konservative, Lucke gegen Petry, Henkel gegen Gauland. Wie geht das aus?

Wall: Alle müssen sich entscheiden, ob sie den von Herrn Lucke vorgegebenen politischen Kurs der Mitte und des Mittelstandes unterstützen, damit die AfD zu einer echten Volkspartei werden kann, die bei den kommenden Bundestagswahlen 2017 ein zweistelliges Ergebnis erreichen könnte. Nur dann kann es endlich einen echten Kurswechsel in Deutschland geben.

Mal ehrlich, wünschen Sie manchmal nicht, Sie wären FDP-Mitglied geblieben?

Wall: Ich weiß auch heute noch nicht, wofür die FDP eigentlich steht? Nicht mal in der Euro-Krise hatte sie den Mut, Flagge zu zeigen, sondern hat sich der Meinung der übrigen Altparteien angeschlossen.

Immerhin 7,4 Prozent in Hamburg und 6,6 in Bremen. Beeindruckt Sie das nicht?

Wall: Ich fürchte, die „neue“ FDP wird wieder genauso allem zustimmen wie die alte. Besonders enttäuscht bin ich allerdings von der CDU. 

Warum?

Wall: Bisher glaubte ich fest, daß die gesamte CDU bei der Abstimmung über die Aufnahme Griechenlands in den Euro dagegen gestimmt habe. Ausgerechnet Herr Schäuble aber hatte dafür gestimmt! Klar, daß der heute alles tut, um die Griechen im Euro zu halten. Einzusehen oder einzugestehen, daß dies ein großer Fehler war, würde ja seinen Kopf kosten. 

Wie geht die Griechenlandkrise aus?

Wall: Als Unternehmer habe ich gelernt, daß alles, was auf Unwahrheit und Betrug aufgebaut ist, irgendwann zusammenbricht. Das trifft leider auch auf den Euro zu. Was wurden uns da am Anfang doch für Lügen aufgetischt: Der Euro werde so hart wie die D-Mark! Kein Land müsse die Schulden anderer Länder übernehmen! 

Wenn Sie Grieche wären ... 

Wall: ... dann würde ich auf weitere Euro-Kredite für einen sofortigen Schuldenschnitt im Gegenzug verzichten und mit der eigenen Drachme-Währung der ganzen Welt beweisen, wie leistungsfähig und stark mein kleines Griechenland ist. Ich bin überzeugt, daß Griechenland innerhalb von zehn Jahren ein sehr erfolgreiches Land werden könnte, allerdings wahrscheinlich nie mehr Mitglied des Euro. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, daß die EU genau davor Angst hat, weil sie keinen Präzedenzfall will, der der Öffentlichkeit beweist, daß europäische Länder ohne EU und Euro erfolgreicher sind. Deshalb gilt für mich: Weniger EU ist mehr Europa! 

Sie fühlen sich nicht wohl in der EU?

Wall: Die Bayern sagen: „Wer zahlt, schafft an!“ Auch in der Wirtschaft gilt, wer die Mehrheit hat, bestimmt wo es langgeht. Nicht so in der EU. Deutschland zahlt den höchsten Beitrag, hat allerdings weder in der Europäischen Zentralbank noch in der Europäischen Union mehr Gewicht als das kleinste Mitgliedsland. Auch in der EU gilt: Nicht die Indianer, sondern die Häuptlinge haben das Sagen! Da muß Deutschland viel mehr Gewicht bekommen. Von mehr Deutschland in der EU würden alle weiteren Mitgliedsländer profitieren. Wenn, dann müßte das Motto zur Genesung der EU nach meiner Ansicht lauten: Mehr Deutschland für Europa! 

Können Sie ein konkretes Beispiel jenseits des Euro für die Fehlentwicklung der EU nennen? 

Wall: Als klare politische Fehlentscheidung hat sich zum Beispiel die totale Abschaffung der Grenzkontrollen in der EU erwiesen. Diese Fehlentscheidung wird jetzt auf dem Rücken der Polizei und der Bevölkerung ausgetragen, wie die sprunghaft gestiegenen Einbruchs- und Diebstahlsfallzahlen zeigen. Allein in Berlin werden jährlich über eintausend Kraftfahrzeuge gestohlen und verschwinden in Osteuropa. Klar, ohne Grenzkontrollen ist das ein leichtes Spiel. Besonders tun mir ja die ostdeutschen Bürger leid. Endlich hatten sie es vor gerade 25 Jahren geschafft, sich von der SED-Diktatur zu befreien, sich der D-Mark anzuschließen und die deutsche Wiedervereinigung zu feiern, und schon sollen sie wieder neuen Herren – diesmal im fernen Brüssel – dienen. Das geht gar nicht! Oder? Fast wundert es mich sogar, daß nicht noch viel mehr Leute auf die Straße gehen. 

Warum? 

Wall: Es geht schließlich um fundamentale Fragen unserer Zukunft!

Nämlich?

Wall: Wie wird Deutschland in Europa und weltweit positioniert, um in Zukunft den Frieden und den Wohlstand zu wahren? Keine Frage, Deutschland  ist international konkurrenzfähig, steht wirtschaftlich an der Weltspitze und ist mit über achtzig Millionen Einwohnern die größte europäische Nation. Uns einzureden, wir wären zu klein, ist geradezu lächerlich. Was würden Australien und Kanada sagen, würde man ähnliches über sie behaupten – und die haben noch nicht mal fünfzig Millionen Einwohner. Deshalb trete ich für ein Europa der Vaterländer ein, für einen europäischen Staatenbund mit einem gemeinsamen europäischen Markt, in dem die angeschlossenen Länder aber souverän bleiben, mit einer eigenen Währung. Denn dann kann sich jedes Land im freien Wettbewerb bewähren.

Wie ist nach Ihrer Erfahrung diesbezüglich die Stimmung im Mittelstand?

Wall: Leider genießt der Mittelstand insgesamt keine große Unterstützung von seiten der Politik. Da tut sich für die AfD noch ein erhebliches Betätigungsfeld auf.

Was müßte die Partei Ihrer Ansicht nach tun, um beim Mittelstand mehr Erfolg zu haben?

Wall: Ich sage, weg mit dem Bürokratismus! Darunter leidet der Mittelstand ganz besonders. Zum Beispiel Mindestlohn: Dieses Gesetz hat zur Folge, daß der Mittelstand wertvolle Zeit in unzählige Kontrollberichte investieren muß. Zeit, die er einfach nicht hat! Außerdem muß die Steuerlast deutlich gesenkt werden. Zuallerst bei den Taxifahrern, die bei schmalem Einkommen durch zu hohe Steuern buchstäblich vom Staat bestraft werden. Ständig wird von Steuererhöhungen aus Gründen der Gerechtigkeit gesprochen, wie zum Beispiel bei der Erbschaftssteuer. Selbst wenn das tatsächlich zu mehr Gerechtigkeit führen würde, könnte Steuergerechtigkeit auch produktiver, etwa durch Senkung der Steuern auf Arbeit, herbeigeführt werden. Auf diese Idee aber scheinen die Gerechtigkeitspolitiker der Altparteien nie zu kommen. Warum nicht? Weil das Steuergerechtigkeitsargument von ihnen tatsächlich immer nur für die Forderung nach Steuererhöhungen mißbraucht wird. Unser Staat muß aber endlich lernen, was für jeden Mittelständler eine Selbstverständlich ist, nämlich mit dem auszukommen, das er durch Steuern einnimmt.

Sie haben einmal gesagt, Sie zahlten gerne Steuern. Haben Sie das ernst gemeint?

Wall: Als ich vor sechs Jahren meine Aktien der Wall AG verkauft habe, kam natürlich eine dicke Millionenrechnung vom Berliner Finanzamt. Ehrlich gesagt, ich habe mich über mich selbst gewundert, daß ich so stolz und glücklich war, als ich die Überweisung unterschrieb: Ich, der ehemalige „Taugenichts“ Hans, aus dem nach Meinung so vieler angeblich nie etwas werden würde, zahlt heute etwa zwanzig Millionen Euro an das Berliner Finanzamt. Ich glaube, so stolz war ich noch nie in meinem Leben! Ich wollte dem Herrn Wowereit noch einen Brief schreiben, daß ich einverstanden sei, wenn damit die Berliner Bauakademie wieder aufgebaut werde – habe es dann aber doch nicht getan. Schade. Daß es der Wall AG mit inzwischen über eintausend Mitarbeitern heute gut geht, freut mich natürlich auch. Und was denken Sie, wie glücklich ich bin, wenn ich zur Weihnachtszeit den Berliner Kurfürstendamm hinuntergehe und all die Weihnachtsbeleuchtung der Firma Wall dort bestaune?

Enttäuscht haben Sie sich nicht nur über die Politik, sondern auch über unsere Medien gezeigt. Warum?

Wall: Mir scheint, daß es in der Bevölkerung nicht nur gegenüber den Politikern einen Vertrauensverlust gibt, was die geringe Wahlbeteiligung beweist. Ich glaube, daß auch gegenüber Presse, Funk und Fernsehen eine ganz ähnliche Entwicklung stattfindet. Schuld daran sind nach meiner Meinung unsere Medien selbst. Es ist zwar völlig richtig, daß es bei uns in Deutschland freie Medienberichterstattung gibt, das heißt jedoch nicht, daß die Medien „sakrosankt“ sind. Die Berichterstattung in unseren Medien über den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff oder über den Berliner CDU-Landespolitiker Klaus Landowsky, die beide schließlich vor Gericht freigesprochen wurden, sind negative Beispiele dafür, wie die Berichterstattung in den Medien zur Hetzkampagne wurde. Wie schlimm die Folgen sein können, die solche Hetzkampagnen haben, zeigt zum Beispiel der Fall des Pharmaunternehmers Adolf Merkle, der die Schande, die ihm durch die Medien bereitet wurde, nicht mehr ertragen konnte und der bekanntlich schließlich Selbstmord beging. Und auch im Fall AfD berichten einige Medien nicht ganz fair.

Bernd Luckes Zustimmungswerte sind von AfD-Parteitag zu AfD-Parteitag gesunken. Was müßte er nach Ihrer Ansicht tun, um die Herzen der Parteibasis zurückzugewinnen?

Wall: Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, daß Politiker in erster Linie glaubhaft bleiben müssen. Sie müssen geradlinig ihren Weg gehen und darauf achten, daß das, was sie den Wählern versprochen haben, auch gehalten wird. Dafür steht nach meiner Ansicht bei der AfD ganz besonders Bernd Lucke, der von Anfang an die Alternative für Deutschland als Partei „des gesunden Menschenverstandes“, als neue Volkspartei in der politischen Mitte positioniert hat. Und der klipp und klar deutlich gemacht hat, daß Rechtsradikale in dieser Partei auf gar keinen Fall geduldet werden. Wie wichtig das für Bernd Lucke ist, hat er letzte Woche mit der Gründung der parteiinternen Initiative „Weckruf 2015“ der politischen Öffentlichkeit gegenüber sichtbar gemacht. Natürlich bin auch ich dem „Weckruf“ sofort beigetreten. Und ich appelliere an jeden in der AfD, es ebenfalls zu tun. 

Kritiker werfen Lucke vor, mit dem „Weckruf 2015“ die Partei zu spalten. 

Wall: Im Gegenteil, er wird damit die Partei retten! 

Sind Sie sich da so sicher? 

Wall: Auf jeden Fall. Bernd Lucke wird sich auf dem kommenden Parteitag am 13. und 14. Juni in Kassel durchsetzen. Da bin ich mir sicher! 

Was werden Sie tun, sollte Herr Lucke in dem Streit als Vorsitzender scheitern?

Wall: Selbst wenn Bernd Lucke nichts anderes übrigbliebe, als eine neue Partei zu gründen, würde ich hinter ihm stehen. Denn für mich gilt: Die politische Glaubwürdigkeit gegenüber dem Bürger zu wahren ist das Wichtigste für jede Wahl! Aber noch einmal: Bernd Lucke wird nicht scheitern, sondern er wird 2017 Herrn Schäuble, falls der da überhaupt noch in seinem Amt sein sollte, ablösen! 




Hans Wall, ist Gründer und ehemaliger Inhaber und Geschäftsführer der Wall AG, einer der führenden deutschen Firmen für Stadtmöblierung und Außenwerbung – Wall-Produkte stehen in rund sechzig deutschen Städten. 1942 im württembergischen Künzelsau geboren, gründete Wall seine Firma 1976 im badischen Ettlingen. Heute hat die Wall AG ihren Sitz in Berlin und über 1.000 Mitarbeiter. Auch im Ausland ist Wall präsent, unter anderem in den USA. 2009 verkaufte Hans Wall sein Unternehmen an den Weltmarktführer JCDecaux aus Frankreich. Vorstandsvorsitzender der Wall AG ist heute sein Sohn Daniel, Jahrgang 1966. 

Foto: Unternehmer Wall: „Wofür steht eigentlich die FDP? Und von der CDU bin ich besonders enttäuscht (...). Eigentlich wundert es mich, daß nicht noch viel mehr Bürger auf die Straße gehen.“

 

weitere Interview-Partner der JF