© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

Weltstaat nur „sentimentale Abstraktion“: Verfrühter Abschied von der Souveränität
Totgesagte leben länger
(wm)

Als 1927 ein Hauptwerk Hermann Hellers erschien, das die für viele Zeitgenossen schon brüchige staatliche Souveränität unter den Bedingungen zunehmender internationaler Verflechtungen beleuchtete, um sie zu rehabilitieren, reagierte das SPD-Parteiorgan Vorwärts mit einer wütenden Rezension. Man warf dem Leipziger Staatsrechtler, selbst SPD-Mitglied, vor, die Rückkehr ins 19. Jahrhundert zu predigen, als der „Kampf ums Dasein“ der Nationalstaaten völkerrechtlich kaum behindert wurde. Eine Kritik, die Heller nicht traf, weil er nicht für die schrankenlose nationale Souveränität eintrat, die im Zeitalter der „gehegten Kriege“ (Carl Schmitt) ohnehin nie Realität war. Ihm ging es vielmehr darum, wie der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber in seiner aktualisierenden Interpretation des Werkes feststellt (Der Staat, 3/2014), sich gegen die vorzeitige Preisgabe des Souveränitätsbegriffs zugunsten „‘sentimentaler Abstraktionen’“ wie Weltfriede und Weltstaat zu wenden. Auch stehe wiederum die staatliche Souveränität zur Disposition. Dabei belehre schon ein Blick in die UN-Charta, daß die Weltordnung die Existenz voneinander unabhängiger Staaten voraussetzt. Rechtsdogmatisch sei das konsequent, denn Souveränität lasse sich nicht aufheben. Sogar der Weltstaat müsse „souverän“ sein, werde aber einem „seelenlosen Despotismus“ (Kant) gleichen. 


 www.duncker-humblot.de