© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

Alle lieben Polster-Papa
Eine offenherzige Studentin hat’s zugegeben: Den Damen ist ein Wohlstandsbäuchlein beim Mann sehr genehm
Tobias Dahlbrügge

Welcher Familienvater in den Vierzigern hat nicht schon mal reflexartig den Bauch eingezogen, wenn er im Freibad an den jungen Mädchen auf der Liegewiese vorbeiging? Das soll jetzt vorbei sein, einer 19jährigen US-Studentin sei Dank.

Mackenzie Pearson aus South Carolina hat quasi aus Versehen einen neuen Trend geschaffen. Auslöser war ihr Aufsatz „Why Girls Love The Dad Bod“, zu deutsch: Warum Mädchen einen väterlichen Körper lieben. Ihre Kernthese: Mit einem Stein oder Gerippe kann frau nicht kuscheln – die mollige Männerwampe dagegen sei das ideale Schmusekissen. Der Aufsatz erschien im März in der Internet-Gazette Odyssee.

Das Bierbauch-Manifest löste derweil ein mittleres Beben in den sozialen Netzwerken wie Instagram oder Twitter aus, das bald nach Europa herüberschwappte und inzwischen weltweit die Medien erfaßt. Ihre Huldigung der männlichen Wölbung wird auf einer Welle der Sympathie getragen – verbunden mit der verschmitzten Frage, ob es nicht reine Chuzpe der Herren der Schöpfung sei, Behäbigkeit kurzerhand zum Vorzug umzudeuten? Für tägliche Sit-ups zu faul, also dankbar aus der Not eine Tugend gemacht?

Hatte Brutus etwa einen Waschbrettbauch?

Nein, sagt Mackenzie und charakterisiert: Der Dad treibt zwar gelegentlich Sport, trinkt aber auch gerne Bier und genießt sein Grillsteak. Dafür ist er jederzeit für einen kuscheligen Sofaabend zu haben, und in seinem Speck läßt es sich herrlich versinken. Übergewichtig ist was ganz anderes.

Applaus für die These kommt erstaunlicherweise vor allem von jüngeren Frauen. Die, so schreiben sie zuhauf im Internet, zweifelten neben einem moppeligen Partner viel weniger an ihrem eigenen Körper. Das mache die Plauze nicht nur attraktiver, sondern auch menschlicher.

Allerdings ist dieser Aspekt ein Problem der westlichen Welt: In Kulturkreisen des Ostens wird der Männerbauch immer noch als soziales Statussymbol geschätzt und mit Stolz getragen. Wer Russe ist und vierzig, aber noch immer dürr und drahtig, wird da von der Damenwelt schon mal spöttisch angegangen: „Einem Mann in deinem Alter würde ein Bauch aber gut anstehen“ – Subtext: Du hast es wohl nicht weit gebracht.

Das Phänomen bestätigt die menschliche Natur: Ein wohlbeleibter Männerbauch signalisiert Frauen sichere Versorgung – schließlich wurde die leichte Wölbung früher auch als „Wohlstandsbauch“ bezeichnet. Und sagte nicht schon Julius Cäsar: „Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein“ (zumindest bei Shakespeare), weil diese vertrauenswürdiger seien? Trug Brutus demnach einen Waschbrettbauch?

Erste Prominente haben sich dem Trend bereits angeschlossen, Adam Sandler zum Beispiel oder Leonardo DiCaprio, der es für die Pressefotografen ungeniert schwabbeln ließ. Moppelmann als neuer Frauenliebling: Der Pölsterchen-Papa verweigere sich souverän dem Selbstoptimierungswahn des Fitneßkultes, schwärmt die Online-Damenwelt. Also Männer: Prost und gesegneten Appetit!

Schon beklagen manche Frauen, daß sie nicht von der neuen Bauchfreiheit profitieren, weil die Lizenz zur Wampe nur für Männer gelte. Doch das stimmt nicht: Der Schwangerschaftsbauch löst ebenfalls überall Entzücken aus ...

Foto: Es spannt über dem Bauch: Mit einem Gerippe kann „frau“ schlecht kuscheln, und die Männerwampe signalisiert, daß „man“ es zu etwas gebracht hat