© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

Deutschlandlied auf bulgarisch
Wissenschaft im Ostblock mit Augenzwinkern
Heinz Noack

Der Chemiker Heinrich Oppermann, ein ausgesiedelter Ungarndeutscher, beschreibt in seinem nunmehr fünften Buch in 74 Geschichten seine Erlebnisse aus seinem Forscherleben in anregend unterhaltsamer Form. Bis zur Wende beschränkten sich die wissenschaftlichen Dienstreisen  auf den Ostblock. Ziel war meist Akademgorodok in der Nähe des sibirischen Nowosibirsk. Aber auch Georgien und Kasachstan gehörten zu seinen Reisezielen. 

Neben den Forschungsarbeiten hatte er oft Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen. Daraus entwickelten sich herzliche Freundschaften, und er stellte fest, daß man es in der Sowjetunion mit Direktiven aus dem fernen Moskau nicht so genau nahm.

Platz finden in den Geschichten auch der Aufstand am 17. Juni 1953 und der Prager Frühling 1968, als sich die Familie Oppermann nach einem Urlaub von Bulgarien aus auf eine abenteuerliche und durchaus gefahrvolle Heimreise begab. Amüsant auch seine Erinnerungen an den Kosmonautenrummel 1978 nach Sigmund Jähns Raumflug als erster Deutscher im All, an dem Oppermann mit seinem Forschungsteam mit einem Teilexperiment direkt beteiligt war.

Einige Episoden über eine unsinnige Zivilverteidigungsübung oder das Absingen des Deutschlandliedes auf bulgarisch zeigen seine humoristische Seite, mit der Oppermann es verstand, manche Widrigkeit im Leben zu umgehen. Die unsympathische Seite des kommunistischen Regimes lernte er spätestens 1981 kennen, als man ihm mit hinterlistigem Intrigenspiel von einer Vortragsreise nach Indien abhielt. Als Ungarndeutscher war er ohnehin den Nachstellungen der DDR-Staatssicherheit ausgesetzt, da er Verbindungen zu in Bautzen ansässigen Landsleuten hatte, die wegen ihres christlichen Engagements im Fokus von Mielkes Schergen standen. In seiner Stasi-Akte fand sich später auch die gesamte Post seiner Frau an westdeutsche Bekannte vom Plattenseeurlaub, fein säuberlich mit Briefmarken abgelichtet. 

Oppermann deutet auch Probleme im Wissenschaftsbetrieb zur Wendezeit und danach bis zu seiner Emeritierung 2000 an, welche der Direktor für Anorganische Chemie an der TU Dresden aber immer mit sympathischem Augenzwinkern darstellt.

Heinrich Oppermann: Die Brücke: Wehret den Anfängen. Geschichten, schon Geschichte? Books on Demand, Norderstedt 2014, broschiert, 268 Seiten, 14,90 Euro