© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Auf die flämische Identität besinnen
Flandern: Nach dem Wahldebakel im vergangenen Jahr wagt der Vlaams Belang einen Neustart und blickt dabei in die Niederlande
Mina Buts

Wenn die Meinung zur Straftat wird, steht die Diktatur vor der Tür", so das Postulat des rechtsliberalen flämischen Politikers Jean-Marie Dedecker auf dem Kongreß „Identität, darf es das noch geben?", zu dem die flämische Rechtspartei Vlaams Belang (VB) am Wochenende geladen hatte. Dedecker bemängelte vor allem die Sprachregelungen, die sofort eingenommen würden, wenn es sich um die Themen Einwanderung und Islamisierung handle.

Der Parteivorsitzende Tom Van Grieken sprang ihm bei. Flamen sollten endlich aufhören, das Fremde mehr als das Eigene zu lieben, und sich wieder auf ihre eigene Identität besinnen. Mit Blick auf den anschwellenden Einwanderungsstrom – Belgien ist die europäische Hochburg des radikalen Islamismus – forderte er die Anerkennung der flämischen Leitkultur und betonte gegenüber der JF die von der Masseneinwanderung ausgehenden Gefahren: „Das ist eine große Bedrohung für die flämische und europäische Identität. Die Erfolge der FPÖ, des Front National und der Lega Nord zeigen, daß die Bevölkerung im Rest Europas langsam wach wird." Van Grieken zeigte sich vor allem erfreut über den regen Zuspruch – weit über 300 Zuhörer waren ins Flämische Parlament gekommen.

Das Kolloquium ist Teil der inhaltlichen Neuorientierung im Vlaams Belang nach dem Wahldebakel im vergangenen Jahr – die Partei verlor zwei Drittel ihrer Wählerstimmen überwiegend an die gemäßigtere nationalkonservative N-VA. Die Wahl des damals erst 28jährigen Van Grieken war sichtbares Signal für einen Neuanfang. Der jüngste belgische Parteichef aller Zeiten nimmt seine Aufgabe sportlich: „Die Krise gibt uns als Partei die Chance, ein zweites Leben anzufangen. Was gewesen ist, ist gewesen."

In den kommenden Monaten sollen weitere Kolloquien zu den Themen Souveränität und Freiheit stattfinden. Kritik an der EU und dem Euro hatte die Partei bereits vor zwei Jahren als Thema entdeckt. Damals hatte auf einem ebenfalls im Flämischen Parlament stattfindenden Kongreß der niederländische Publizist und Historiker Thierry Baudet gesprochen. Dieser macht gerade in den Niederlanden mit der Gründung eines „Forums für Demokratie" von sich reden. Euroskepsis und -kritik sollen hier vertieft und gebündelt werden. In der vergangenen Woche überreichte die Initiative dem niederländischen Parlament 40.000 Unterschriften, um eine Debatte über die Zukunft der Gemeinschaftswährung einzufordern. Zwar sei die Medienaufmerksamkeit gering gewesen, aber die Zustimmung in der Bevölkerung um so größer, so Baudet zur JF. Van Grieken war eigens nach Den Haag gereist und postete hinterher: „Flandern kann noch viel lernen aus dem EU-Widerstand in den Niederlanden."