© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Blau setzt auf das Thema Einwanderung
Dänemark: Kurz vor der Parlamentswahl herrscht zwischen den beiden rivalisierenden Blöcken nahezu ein Patt / Dänische Volkspartei könnte Stimmen verdoppeln
Gunnar Dietz

Seit mindestens fünf Monaten wurde spekuliert, wann sie stattfinden würden, die Wahlen zum dänischen Parlament (Folketing). Dann entschied Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt überraschend: Der 18. Juni 2015 soll es sein. Einen Tag vor Verkündigung des Termins hatten die Sozialdemokratin und ihr Innen- und Wirtschaftsminister, Morten Østergaard (Radikale Linke), umgerechnet gut fünf Milliarden Euro zusätzliche Sozialausgaben verkündet. Süffisant kommentierte die Zeitung Jyllands Posten: „Thorning-Schmidt und ihre Ratgeber glauben, so könne man die abgefallenen Wähler zum Beispiel von der Dänischen Volkspartei zurückgewinnen. Wie naiv muß man sein?"

Insgesamt kann die erste weibliche Regierungschefin Dänemarks auf wenige Erfolge ihrer vierjährigen Amtszeit verweisen: Die Wirtschaft stagniert, und viele der angeblich 40.000 neugeschaffenen Stellen sind Teilzeitarbeitsplätze oder gingen an ausländische Arbeiter, kritisiert das Blatt.

Dennoch ist offen, wer nach dem Wahldonnerstag die Mehrheit der 179 Mandate erringen wird. Zwischen dem oppositionellen „Blauen Block" (Venstre, Dänische Volkspartei, Konservative Volkspartei und Liberale Allianz) und dem „Roten Block" aus Sozialdemokraten, Radikaler Linken, Sozialistischer Volkspartei, Einheitsliste und Alternativen herrscht nahezu ein Patt. Der größte Gewinner steht wahrscheinlich schon fest: Die rechtsbürgerliche Dänische Volkspartei (DF) könnte im Vergleich zu ihrem Ergebnis bei der Wahl 2011 etwa 50 Prozent mehr Stimmen gewinnen und mit prognostizierten 18 Prozent drittstärkste Kraft im Parlament werden.

Die Einwanderungspolitik steht dabei laut des DF-Vorsitzenden Kristian Thulesen Dahl als „wichtiges Ziel" auf der politischen Tagesordnung. „Einwanderungspolitik soll sich daran orientieren, welche Einwanderung wir in der dänischen Gesellschaft benötigen", heißt es dann auch im Wahlwerbespot der Partei. Konkret bedeute dies, Asylantenheime ins Ausland zu verlegen. Flüchtlinge sollten zudem keinen Anspruch auf eine Wohnung haben, sondern in Asylantenheimen untergebracht werden, bis man sie wieder in ihr Heimatland zurücksenden könne.

Diese Vorschläge werden vom möglichen Koalitionspartner Venstre positiv aufgenommen. Deren Sprecher für Ausländer- und Integrationsfragen, Karsten Lauritzen, meint dazu: „Es kann gute Gründe geben, den Rechtsanspruch auf eine Wohnung zu lockern." Das Wichtigste für Venstre sei jedoch, daß die neue Regierung die Zahl der Asylsuchenden vermindern müsse. Verschärfte Aufenthaltsregeln sowie tiefe Einschnitte bei der Sozialhilfe sollen die Umkehr bringen. Lag die Zahl der Asylbewerber 2011, als noch der „Blaue Block" regierte, lediglich bei 4.000, sei sie unter dem „Roten Block" kontinuierlich bis auf 15.000 im Jahr 2014 gestiegen, so der Hauptkritikpunkt von Venstre

Sozialdemokraten, Sozialistische Volkspartei und Einheitsliste weisen die Pläne des „Blauen Blocks" zurück und bezeichnen sie als „zutiefst unmenschlich". Statt dessen werben die Sozialdemokraten als stärkste Partei des „Roten Blocks" mit dem Thema „Ein Dänemark so, wie du es kennst". Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und der Ausbau des Wohlfahrtsstaates stehen auf Thorning-Schmidts Agenda ganz oben. Zum brisanten Thema Einwanderung heißt es lapidar: „Menschen, die nach Dänemark kommen, sollen zur Gesellschaft beitragen und nicht passiv sein und von uns versorgt werden."