© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Blick in die Medien
Ein Amoklauf als Computerspiel
Tobias Dahlbrügge

Das kam mit Ansage. „Hatred" zieht genau das auf sich, was es heißt: Haß. Das PC-Ballerspiel, bei dem es darum geht, so viele Unschuldige wie möglich während eines Amoklaufes zu töten, ist derzeit wohl das bestgehaßte Produkt der Computerwelt.

In einem düsteren Ambiente bringt die Spielerfigur grundlos Passanten um. PC-Spiele, in denen der Nutzer das grausame Töten von Menschen simuliert und dafür belohnt wird, bieten stets größtes Polarisierungspotential. Immer wieder werden solche Titel als verrohend kritisiert und ihr Verbot gefordert, vor allem zum Schutz der Psyche von Kindern.

Opfer realer Tragödien werden zur Verkaufs-förderung mißbraucht.
Das ist einfach schäbig.

Unsinn, sagen die Gegner eines Verbotes, die Spiele hätten keine Auswirkung auf Aggressivität oder Empathie der Nutzer. Schäden entfalteten sie nur, wenn bereits Schädigungen vorhanden seien. Im Grunde ist die Diskussion so alt wie das Fernsehen: Verstärkt die Darstellung von Gewalt die Neigung zur Gewalt oder baut sie Aggression ab?

Nach dem Heavy Metal ist seit einigen Jahren die Spieleindustrie im Fokus dieser Debatte. Trotzdem ist „Hatred" unappetitlich, weil die Opfer realer Tragödien wie in Winnenden oder Emsdetten für eine kalkulierte Empörungskampagne zur Verkaufsförderung mißbraucht werden.

Das Entwicklerstudio hat auf seinen Internetseiten sogar offen betont, die Aufregung der Medien für sein Marketing einkalkuliert zu haben und bedankt sich frech für die kostenlose Werbung. Dafür muß man schon reichlich schäbig sein. Allerdings ist die Strategie nicht aufgegangen: Die Hersteller haben die Veröffentlichung in Deutschland von sich aus zurückgezogen. Wohl in dem Wissen, daß „Hatred" umgehend indiziert worden wäre. In Zeiten von Internet-Tauschbörsen und dem bequemen Herunterladen auf Online-Plattformen wäre eine Indizierung ohnehin ziemlich sinnlos. Wer das Spiel will, bekommt es auch.