© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Verwässert in der Badewanne
„Wirtschaftswoche“: Nach dem Abgang von Roland Tichy wurde dem Blatt ein Pro-EU-Kurs aufgedrückt
Petr Bystron

Die Wirtschaftswoche war bis zum Herbst 2014 eines der wenigen deutschen Medien, das Kritikern der Euro-Rettung einen großen Platz einräumte. Ein Heft, in dem noch Freiheit statt Sozialismus gepriesen wurde und in dem Autoren wie Bettina Röhl klare Kante im Kampf gegen die Auswüchse um sich greifender Verbotsideologien zeigen durften. Das ist vorbei. Seit Miriam Meckel vor einem halben Jahr das Heft von Roland Tichy übernahm, kommen die Leser aus dem Staunen nicht heraus.

Die Kritik an der EU ist merklich zusammengeschrumpft, dafür wird nun offensiv für die Frauenquote und gegen die angebliche Diskriminierung der Frauen gekämpft. Unter Tichy, der staatliche Eingriffe und Verbote stets kritisierte, wäre derartiger Kampagnenjournalismus wohl nicht möglich gewesen. Auch Bettina Röhl hat sich längst von der Wirtschaftswoche verabschiedet. Meckel hat die Schwerpunkte der Berichterstattung verschoben. So rief dort kürzlich der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl den „neuen Klassenkampf" aus und sezierte die „Schwächen des kapitalistischen Systems". Und selbstverständlich sollten die Steuermehreinnahmen nicht für Steuersenkungen ausgegeben werden, sondern in einen „Staatsfonds" fließen, meint ein Redakteur. Die Grundaussage: Die Politik kann besser mit dem Geld umgehen als die Bürger. Meckel, die zwischen 2002 und 2005 Staatssekretärin der SPD-geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen war, läßt ihre Ideologie nicht nur im Heft verbreiten.

Eine kostenlose Werbekampagne für Brüssel

Sie bewirbt sie offensiv bereits in den Newslettern an die Leser. So erfuhren die Abonnenten zum Beispiel im März dieses Jahres, daß „Deutschland Weltmarktführer in mangelnder Chancengleichheit für Frauen in der Wirtschaft" sei. Die Verhältnisse bei den Aufstiegshürden für Frauen in Unternehmen seien vergleichbar mit denen in Nigeria. Hand in Hand mit solcher Berichterstattung geht auch die Vertriebsstrategie des Verlags. Online wird die Wirtschaftswoche gemeinsam mit Frauentiteln wie Gala angeboten. So sollen neue Frauen-Zielgruppen erschlossen werden. Die Frau von heute holt sich in der Cosmopolitan die Lifestyle-Tips. Und in der Wirtschaftswoche bekommt sie die Anleitung, wie sie am besten die Männer auf der Karriereleiter überholt. Ein durchschlagender Erfolg dieser Strategie blieb bisher aus. Der Kioskverkauf brach zusammen, zuletzt lag er bei nur 3.500 Heften.

Bei dieser Marke verordnete Meckel der Wirtschaftswoche einen „Relaunch", im Zuge dessen mit Hilfe einer Werbeoffensive zusätzliche Hefte in den Markt geschwemmt werden. Die Anzahl der Abonnements blieb seit Tichys Abgang trotz aller Bemühungen selbst in der offiziellen Statistik unverändert bei knapp 83.000. Die Zahl ist jedoch aufgebauscht durch 12.000 E-Paper-Abos.

Diese werden zwar in der Auflagenstatistik gleichberechtigt mit gedruckten Abonnements geführt, in der Praxis stellen sie jedoch oft eine lediglich eine Zugabe dar. Kein Wunder, daß bei solcher Entwicklung das Fachblatt Der Wirtschaftsjournalist kürzlich die Wirtschaftswoche auf die Titelseite nahm. Die Überschrift: „Der WiWo-Wahnsinn: Warum Tichy gefeuert wurde, obwohl Meckel nichts kann." Im Heft kritisieren die Fachjournalisten, daß Meckel die „Positionierung der WiWo verwässert".

Das wiederum läßt die Alarmglocken bei der Werbekundschaft läuten. Denn bisher erreichten die Werbekunden des Blattes die Entscheider aus der Wirtschaft. Für Lifestyle-Themen gab und gibt es genügend andere Magazine. Doch genau in diese Ecke drängt Meckel die Wirtschaftswoche auch mit der Verlegung des Erscheinungstages. Diesen verschob sie vom Montag auf den Freitag, um den „veränderten Lesegewohnheiten" Rechnung zu tragen. In der Tat entdecken immer mehr Verlage das Wochenende als die präferierte Zeit zum Schmökern in einem Magazin – Focus und Spiegel verlegten sich bereits vom Montag aufs Wochenende und konkurrieren dort mit den zahlreichen Sonntagsausgaben der Zeitungen um die Gunst der Leser. Hier, bei einer Klientel, die „in der Badewanne" liest, positioniert Meckel nun auch ihr Magazin, wobei sie einen gravierenden Nachteil in Kauf nehmen muß. Sie verlegte den Redaktionsschluß bereits auf den Mittwoch vor, wodurch in jeder Ausgabe die Ereignisse der zweiten Wochenhälfte fehlen.

Wie dadurch die wirtschaftliche Kompetenz gestärkt werden soll, ist unklar, zumal in Zeiten, in denen immer mehr börsenrelevante Entscheidungen am Freitag verkündet werden. Wohin die Reise geht, zeigt sich in den jüngsten Ausgaben. Kürzlich prangte bereits auf dem Titelblatt eine EU-Karte in Form eines Herzens.

Die Titelstory entlarvt sich bereits in der Überschrift als einseitige Lobhudelei an die EU: „Ein Glück, Europäer zu sein". Dem nicht so folgsamen Leser wird denn auch gleich erklärt, was er zu denken hat. Nämlich: „Europa ist mehr als überflüssige Bürokratie." Was dabei natürlich vergessen wird: Europa ist auch mehr als nur die EU. Wem es immer noch nicht reicht, der darf im Inneren des Heftes unter unterschiedlichen Motiven von Pro-EU-Anzeigen einen Sieger wählen. Artikel über Werbung für die EU – das ist also die neue Wirtschaftswoche. Aber warum sollte man dafür bezahlen? Das bekommt der Leser bei der EU-Kommission auch ganz umsonst. Was mit Wirtschaftblättern passiert, die ihre eigene Zielgruppe vor den Kopf stoßen, hat die Financial Times Deutschland mit ihrer spektakulären Pleite gezeigt.