© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Rot-Grün gibt Jäger zum Abschuß frei
Jagdgesetz: Grünröcke laufen Sturm gegen eine Gesetzesnovelle der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen
Bernd Rademacher


Unter der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen haben Jäger einen schweren Stand. Von der Landtagsfraktion der Grünen getrieben, erläßt Rot-Grün immer mehr Vorschriften, um den Jagdbetrieb zu regulieren. Die Waidmänner fühlen sich gegängelt. Neueste Volte: Ende Mai beschloß der Landtag ein neues „ökologisches Jagdgesetz“, das „Tierschutz, Naturschutz und Waldschutz“ stärker fördern soll.

Die Reaktionen der Jagdverbände ließen nicht lange auf sich warten. „Das neue Landesjagdgesetz raubt den Jägern durch immer mehr Vorschriften die Motivation für ihr ehrenamtliches Engagement!“ schimpfte der Präsident des Landesjagdverbandes NRW, Ralph Müller-Schallenberg, auf dem jüngsten Landesjägertag im Sauerland. Dort stellte er fest: „Das Tischtuch zwischen dem grünen NRW-Umweltminister Johannes Remmel und Jägern, Land- und Forstwirten ist zerschnitten!“

Durch das neue Jagdgesetz soll der Jagdbetrieb durch eine ganze Reihe von Verboten und Regelungen eingeschränkt werden. Verboten sind nun nicht nur bleihaltige Munition, die Jagd auf Graureiher und Greifvögel, das Bejagen wildernder Katzen und vieles mehr. Jäger müssen ab sofort einen jährlichen Schießnachweis vorlegen. Erfahrene Jäger empfinden dies als Demütigung.  Außerdem werden die kommunalen Jagdbeiräte verpflichtet, Vertreter von Tierschutzorganisationen mit Rederecht in ihren Reihen aufzunehmen. 

Bei der Neufassung des Jagdgesetzes würden einfache Zusammenhänge des Ökosystems in der Natur jedoch schlicht verkannt, klagen die Jäger. Katzen seien beispielsweise sehr erfolgreiche Jagdtiere, die Singvögeln und Junghasen den Garaus machten und dadurch die Population gefährden könten. Im ländlichen Raum ist die ungehemmte Vermehrung verwilderter Hofkatzen mancherorts bereits zu einem Dauerproblem geworden. Naturschutzbehörden und mobile Biostationen, also regionale Einrichtungen des Naturschutzes, sollen die Einhaltung der Verbote kontrollieren. Dennoch gibt das Gesetz, dem „Tierschutz“ zum Trotz, ganze Sikawildbestände als „artfremd“ zum Totalabschuß frei. Ausgewilderte Wisente sowie eingewanderte Wölfe dürfen dagegen nicht geschossen werden. Ob die Jäger von der Haftung für die hinterlassenen Schäden dieser Arten befreit werden, ist noch ungeklärt.

Hämische Freude bei Abgeordneten der Grünen

Endültig auf die Palme brachte die Waidleute ein Foto, das mehrere Parlamentarier der Grünen nach der Abstimmung im Landtag in sozialen Medien verbreitet hatten. Es zeigt Umweltminister Johannes Remmel mit grünen Parteigenossen, die unter breitem Grinsen gemeinsam mit einer Flasche „Jägermeister“ auf den Parlamentsbeschluß anstoßen.

Die Jäger haben bereits angekündigt, das neue Verbot nicht widerstandslos hinzunehmen. Schon im Vorfeld der Parlamentsabstimmung waren sie zu „Mittwochsmärschen“ zusammengekommen; vor dem Landtag protestierten neulich 15.000 Grünröcke mit ihren Hunden. Dabei probten die Kreisjägerschaften einen engen Schulterschluß untereinander. Die Vernetzung der Jäger soll zur Organisation des Widerstandes genutzt werden.

Der Protest der Jäger soll sich auf drei Ebenen vollziehen. Jagdverbandspräsident Ralph Müller-Schallenberg, kündigte an, Klage gegen das Gesetz einzureichen. Darüber hinaus planen die Jäger eine Volksinitiative, um im Landtag eine erneute Debatte über das Gesetz zu erzwingen. Dazu sind 66.000 Unterschriften notwendig. Die kommunalen Jägerschaften wollen zudem durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit lokale Naturschützer ansprechen, denn diese verfügen oft über die notwendige Sachkunde und unterstützen die Ziele der Jägerschaften in den wesentlichen Punkten. Zur Finanzierung der Kampagnen mußten die Jägerschaften sogar unlängst die Mitgliedsbeiträge anheben. 

Im Nachbarland Niedersachsen tritt Rot-Grün sensibler auf: Das bestehende Jagdgesetz soll nicht vor 2018 geändert werden. Dafür nimmt eine Reform des Bundesjagdgesetzes Fahrt auf. Diese zielt hauptsächlich auf die Qualifikation der Jagdscheinbesitzer. So soll die Zahl der Unterrichtsstunden erhöht und ein Nachweis für Schießübungen eingeführt werden. Das Bundesgesetz hätte für die Länder allerdings eine „rückholende Wirkung“: Würde beispielsweise ein Verbot bleihaltiger Munition nicht auf Bundesebene beschlossen, wäre auch das entsprechende Verbot in Nordrhein-Westfalen wieder aufgehoben.