© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Das rote Feigenblatt
Alles außer Arbeitnehmerinteressen: Wie DGB-Gewerkschaften gemeinsame Sache mit Linksextremisten und Gewaltbereiten machen
Hinrich Rohbohm

Stramm flattert die rote Fahne der IG Metall im Wind. Ihr Träger ist dabei, sich auf dem Münchner Karlsplatz, dem Stachus, einen Weg durch die Menge der G7-Demonstranten zu bahnen. Begleitet wird er von einem guten Dutzend weiterer, ebenfalls mit Gewerkschaftsfahnen ausgestatteter Gleichgesinnter. Alle von ihnen tragen schwarze Sonnenbrillen, schwarze Kleidung, Rucksäcke und Schirmmützen, an denen zumeist mehrere Anstecker hervorstechen.

Etwa von der linksextremistischen Antifaschistischen Aktion. Einer offiziell als aufgelöst geltenden Gruppierung, die Verfassungsschützer der gewaltbereiten  Szene zurechnen. Ein anderer häufig zu sehender Anstecker zeigt das Konterfei des kommunistischen Revolutionärs Che Guevara, eines Idols der Szene. 40.000 Demonstranten sind gekommen, um gegen das Treffen der sieben wichtigsten westlichen Industrienationen zu protestieren. Darunter Familien mit Kindern, Schüler, Studenten, Rentner, zahlreiche Umwelt- und Hilfsorganisationen.

Gewerkschaftshaus als Rückzugsort der Szene

Doch die Männer mit den Fahnen der Metallgewerkschaft steuern zielstrebig auf eine andere Gruppe zu, die ebenfalls rote Fahnen in die Höhe reckt. Es ist die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), die als Nachwuchsorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) gilt. Die Gewerkschafter begrüßen die SDAJler herzlich. Umarmungen. Scherze machen die Runde. Man kennt sich. Eine junge SDAJlerin versucht Busfahrkarten unter die Leute zu bringen. Zehn Euro für die Hin- und Rückfahrt. „Mit dem Zug kommt ihr nicht bis Garmisch durch, Leute, da wird alles abgesperrt“, erzählt sie. Eine Lüge, die den einen oder anderen Protestler dazu bringen soll, eine Karte zu kaufen, um den Bus der Linksradikalen vollzubekommen. „Mollis (gemeint sind Molotowcocktails), Böller und alle möglichen Waffen aber weglassen, die Bullen werden uns sehr gründlich filzen“, mahnt jemand.  Zwei Tage später treffen sich die IG-Metall-Leute und SDAJler wieder. 

Es ist Samstag morgen, 7 Uhr. An der Theresienwiese stehen Busse bereit. „A, Anti, Anticapitalista“, brüllen Gewerkschafter und Linksextremisten Seite an Seite, ehe sie in den Bus nach Garmisch-Partenkirchen steigen. Auch ist die IG Metall ebenso mit von der Partie wie die IG Bauen-Agrar-Umwelt und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie alle reihen sich vor Beginn des Demonstrationszuges neben DKP- und SDAJ-Funktionären ein. Als ein Fernsehjournalist die SDAJ-Fahne erblickt, hellt sich sein Gesicht auf. „Die gibt‘s noch? Da war ich früher auch mal drin“, ruft er seinem Kameramann erfreut zu und eilt fast euphorisch auf die Gruppe zu, um sie zu interviewen.

Keine fünfzig Meter weiter hat die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) einen Infostand aufgebaut, hinter dem eine Fahne der IG Bauen-Agrar-Umwelt an einem Verkehrsschild baumelt. „Wir wollen unsere Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften weiter ausbauen“, sagt einer von ihnen, ein älterer Mann über 60 Jahre.

Eine Frau mittleren Alters tritt dazu, zeigt stolz einen Flyer der erst kürzlich unter maßgeblicher Initiative der MLPD gegründeten Umweltgewerkschaft. „Wir wollen Arbeiter- und Umweltbewegung zusammenführen“, erklärt sie. Mit der Basis von Bündnis 90/Die Grünen pflege man eine gute Zusammenarbeit. Mit ihren Funktionären sei das schwieriger. „Die wollen natürlich ihr gerade gewonnenes Terrain bei bürgerlichen Wählern nicht verspielen und auch die Option auf eine schwarz-grüne Koalition nicht riskieren“, zeigt der ältere Mann Verständnis für die Führungsriege der Grünen.

Beide, MLPD und DKP, verfolgen die sogenannte Entrismus-Strategie, mit der die bestehenden Institutionen langfristig unterwandert werden sollen, um sie schließlich in ihrem Sinne zu verändern. Neu ist das nicht. „Kommunisten gehören zu den aktivsten Gewerkschaftsmitgliedern in deutschen Unternehmen. Sie verstanden es überall, sich attraktiv zu machen“, schrieb der Spiegel bereits im Januar 1980. Dies sei vor allem deshalb der Fall, weil sie im Gegensatz zu anderen Interessengruppen besser organisiert und ihre kommunistische Gesinnung nicht ohne weiteres auszumachen sei. Hätten sie in einem Gremium jedoch erst mal die Mehrheit erlangt, so würden ausschließlich Beschlüsse gefaßt, die mit der kommunistischen Partei übereinstimmten. Die Gewerkschaftsbosse gaben seinerzeit Entwarnung. An den „Schalthebeln der Macht“ würden nach wie vor „biedere Sozialdemokraten“ den Ton angeben, die „nahezu allergisch gegen Kommunisten sind“.

Heute sieht die Sache anders aus. „Es war noch nie so einfach für Kommunistinnen und Kommunisten, eine gewerkschaftliche Funktion zu bekommen“, jubelt die DKP in einem Newsletter der Partei vom Januar dieses Jahres. Der Grund: sinkende Mitgliederzahlen und immer weniger Gewerkschafter, die sich für verantwortliche Posten bereit erklären. „Haben sie niemanden anderen, nehmen sie in vielen Bereichen inzwischen auch Kommunistinnen und Kommunisten“, heißt es dort weiter. Daß der Kommunismus nach der Wende von 1989 nicht mehr als ernstzunehmende Bedrohung wahrgenommen wird, kommt seinen Funktionären ebenfalls zugute.

Längst existieren Beispiele, in denen es einstige kommunistische Funktionäre auf der gewerkschaftlichen Karriereleiter bis ganz nach oben geschafft haben. Etwa Michael Sommer, der von 2002 bis 2014 an der Spitze des DGB stand. Sommer gehörte einst der Hochschulgruppe der Sozialistischen Einheitspartei West-Berlins (SEW) an, der Schwesterpartei der SED. Berthold Huber, einst Mitglied des Kommunistischen Arbeiterbundes, einer Vorläuferorganisation der heutigen MLPD, brachte es 2007 zum Bundesvorsitzenden der IG Metall. Und Sven Hüber wiederum ist stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei und Vorsitzender des Hauptpersonalrats der Bundespolizei, wodurch er ein maßgebliches Mitspracherecht darüber hat, wer in den höheren Polizeivollzugsdienst aufsteigt. Der ehemalige Politoffizier der DDR-Grenztruppen im Ost-Berliner Regiment 33 war einst für die Führung und Indoktrination der NVA-Soldaten zuständig.

Die einstige Grünen-Politikerin Annelie Buntenbach wurde Leiterin der Abteilung Sozialpolitik beim Bundesvorstand der IG Bauen-Agrar-Umwelt, ehe sie in den DGB-Bundesvorstand gewählt wurde. Buntenbach ist Mitherausgeberin der linksradikalen Antifaschistischen Nachrichten, die im Kölner GNN-Verlag erscheinen. Dieser entstammt dem gleichnamigen Parteiverlag des Bundes Westdeutscher Kommunisten. Verfassungsschützer ordnen ihn dem linksextremen Spektrum zu.

Unter Buntenbachs inhaltlicher Verantwortung wurde beispielsweise die DGB-Handreichung „Flucht. Asyl. Menschenwürde“ verfaßt. Im Bremer DGB-Haus nahe des Hauptbahnhofs ist sie an der Informationstafel am Eingang erhältlich, liegt dort neben Materialien der marxistischen Abendschule, Zeitungsartikeln des früheren FDJ-Zentralorgans Junge Welt und der Sozialistischen Alternative. In ihr finden sich eine Fülle von Verweisen auf Institutionen aus dem Umfeld der linksradikalen Antifa. Etwa auf die Amadeu-Antonio-Stiftung, dessen Vorsitzende, Anetta Kahane, einst als inoffizielle Stasi-Mitarbeiterin „Victoria“ aktiv gewesen ist. Die Broschüre verweist auch auf die in Bremen ansässige „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten“.

„AfD verhindern! Linkspartei wählen!“ 

Die Organisation gilt als Hauptorganisator der Hamburger Asylproteste, bei denen es mehrfach zu Blockaden und Ausschreitungen mit der Polizei kam. Ihren Sitz hat sie in dem linksalternativen Kulturzentrum „Paradox“ in der Bernhardstraße in Bremen, das sich mitten im sogenannten „Viertel“ befindet, das als grün-alternative Hochburg der Wesermetropole gilt. Zahlreiche Häuserwände sind hier mit Graffiti beschmiert, beim Kulturzentrum verhält es sich nicht anders. Im Inneren des Hauses führt eine Treppe hoch zum Verein für Internationalismus. Unten im Erdgeschoß liegen Flugblätter von „Arbeitermacht“ aus, einer trotzkistischen Splittergruppe, die aus dem Spartacusbund hervorgegangen ist. „AfD verhindern! Linkspartei wählen und Widerstand organisieren!“ steht darauf geschrieben.

Träger des „Paradox“ ist der Verein für Alltagskultur und politische Bildung unter dem Vorsitz von Kai Kaschinski, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Berufsfortbildungswerks Gemeinnützige Bildung beim DGB und Beiratsmitglied der Rosa-Luxemburg-Initiative ist. Als Förderer von „Karawane“ fungiert zudem die 2002 im Haus für Demokratie und Menschenrechte gegründete Bewegungsstiftung, die ihren Sitz im sogenannten Ökozentrum der niedersächsischen Stadt Verden hat. Dessen Verantwortlicher ist der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold, der auch zum Unterstützerkreis von Blockupy in Frankfurt am Main gehörte. „Diese Bilder helfen genau den Falschen“, beklagte sich Giegold angesichts der Krawalle von Frankfurt. Doch hätte nicht gerade er durch seine Netzwerke auf linksradikale Initiativen mäßigend einwirken können?

In Frankfurt herrschten Mitte März anläßlich der Eröffnung des EZB-Neubaus phasenweise bürgerkriegs-

ähnliche Zustände. Während der Blockupy-Demonstrationen wurden durch linksextreme Gewalttäter über hundert Polizisten verletzt. Einsatzwagen und Barrikaden brannten, Pflastersteine flogen auf Polizeibeamte und Feuerwehrleute. Neben Grünen und Linkspartei in dem Blockupy-Bündnis dabei: die IG Metall und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Zudem hatte der DGB während der Blockupy-Tage eine eigene Demonstration angemeldet.

Auch hier spielte das Zusammenwirken von Gewerkschaften und gewaltbereiten Linksextremisten eine nicht unerhebliche Rolle. Die Pressekonferenzen der Blockupy-Organisatoren finden im DGB-Haus statt, in dem sich auch der Jugendclub „U68“ befindet. Bei Krawallen der vergangenen Jahre diente er immer wieder als Treffpunkt und Rückzugsort der linksextremistischen Szene.

Im Frankfurter DGB-Haus finden sich schnell Spuren, die in diese Szene führen. An den Informationsständen am Eingang liegen neben IG-Metall-Broschüren Flugblätter der DKP, Ausgaben der DKP-Parteizeitung Unsere Zeit, Broschüren der Roten Hilfe, ein Faltblatt der Linkspartei. Auf einem anderen Flugblatt laden DGB und Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einer Veranstaltung ein.

Wie weit die Kooperation zwischen Gewerkschaften und Linksradikalen geht, verdeutlicht ein Antrag der DGB-Jugend, der darauf abzielt, daß die Gewerkschaft Aktionen des zivilen Ungehorsams als legitim ansieht und unterstützt. Der DGB-Nachwuchs sieht beispielsweise Blockaden gegen „Naziaufmärsche“ als Form des zivilen Ungehorsams an. Werden Linksextremisten dabei polizeilich in Gewahrsam genommen, hat dies nicht selten Ordnungsgelder zur Folge. Will heißen: Durch die Annahme des Antrags kann nun der DGB die Strafzahlungen für Straftaten, die von Linksextremisten begangen wurden, übernehmen, wenn es sich um eine gewerkschaftliche Veranstaltung handelt.

Niederlage für die Gewerkschaft der Polizei

Mit der Folge, daß es zu der bizarren Situation kommen kann, daß gewerkschaftlich organisierte Polizisten von linksextremistischen Gewalttätern angegriffen und gegen die Täter verhängte Ordnungsgelder von den Mitgliedsbeiträgen der Beamten getragen werden. Ein Umstand, der für einen Aufschrei bei der im DGB organisierten Gewerkschaft der Polizei (GdP) sorgen müßte. Tatsächlich hatte die GdP ihre Zustimmung zunächst verweigert. „Ich bitte darum, daß ihr versteht und akzeptiert, daß die Polizei so nicht denken kann“, schloß deren Bundesvorsitzender Oliver Malchow auf dem DGB-Kongreß ein Durchwinken des Antrags seitens seiner Gewerkschaft zunächst aus.

Ein Kompromißvorschlag führte letztlich zu der von den Linksextremisten ersehnten Unterstützung. Auch mit dem Segen der Gewerkschaft der Polizei. Auf deren Drängen hin soll zwar über Aktionen des zivilen Ungehorsams wie Blockaden nun zunächst „anlaßbezogen“ im DGB diskutiert und entschieden werden. Aber: „Menschen, die infolge der Teilnahme an gewerkschaftlichen Aktionen zivilen Ungehorsams Sanktionen ausgesetzt sind, werden solidarisch unterstützt.“