© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Wirtschaft und DGB verbreiten die Mär vom Fachkräftemangel
Hand in Hand
Jörg Fischer

Das Netzwerk „Kein Mensch ist illegal“ verlangt seit Jahren einen „Abschiebestopp und Bleiberecht für alle“. Jeder solle arbeiten dürfen, wo und wie er wolle, sowie einen sofortigen Zugang zu Ausbildung erhalten. Solche grün-linken Träume dürften sich bald erfüllen, denn einflußreiche Wirtschaftslobbyisten stoßen längst ins gleiche Horn: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer verlangt, „alles zu tun, damit sich diese Menschen zügig in den Arbeitsmarkt integrieren können“. Für „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge brauchen wir einen humanitären Ausbildungsaufenthalt, der ihnen den Abschluß einer dualen Ausbildung rechtssicher ermöglicht“.

Ein besonderer Dorn im Auge sind dem FDP-Politiker die Vorrangprüfungen. Damit erhalten „Deutsche, EU-Bürger, Bürger aus EWR-Staaten, Bürger aus der Schweiz sowie Drittstaatsangehörige mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang“ bezorzugt eine Stelle. Angesichts von 2,8 Millionen Erwerbslosen und über 3,6 Millionen Unterbeschäftigten in Deutschland eine verständliche, mit Blick auf das riesige EU-Arbeitslosenheer eine alternativlose Regelung. Millionen Stellen sind zudem durch den technologischen Wandel absehbar gefährdet.

Aber mit der Mär vom Fachkräftemangel (JF 18/15) werden Bedenken gegen die Masseneinwanderung zurückgewiesen – „Refugees welcome!“ sprüht die Antifa und sagt auch der DGB. In einem von Gewerkschafts-chef Reiner Hoffmann herausgegebenen Sammelband zur „Arbeit der Zukunft“ verlangen 68er-Politologen wie Claus Leggewie „eine echte Willkommenskultur für Arbeitsmigranten“. Der Soziologe Herbert Brücker, der Armutszuwanderung für einen Mythos hält, fordert – wie das arbeitgeberfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) – eine jährliche Nettozuwanderung von 200.000.

Leider begreift der DGB nicht, daß es dabei vor allem um potentielle Fachkräfte geht – oder im Marx-Jargon: Die eingewanderte industrielle Reservearmee des 21. Jahrhunderts soll nur die Lohnansprüche im Zaum halten.