© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Zeitschriftenkritik: Geo Epoche – Rote Armee Fraktion
Deutscher Linksterrorismus
Werner Olles

Die mit Waffengewalt herbeigeführte Befreiung Andreas Baaders am 14. Mai 1970 in West-Berlin war zugleich die Geburtsstunde einer terroristischen Organisation, die unter dem Namen „Rote Armee Fraktion“ (RAF) in den siebziger Jahren die Bundesrepublik in Atem hielt. Dem wegen seiner Mittäterschaft bei der Kaufhausbrandstiftung in Frankfurt zu drei Jahren Haft verurteilten Baader war es gestattet worden, sich in Begleitung von zwei Justizvollzugsbeamten in die Bibliothek des Deutschen Zentralinstitutes für soziale Fragen zu begeben. Hier trifft er sich mit der Journalistin Ulrike Meinhof. Als zwei mit Perücken verkleidete Personen das Feuer auf die Beamten und den Institutsangestellten Georg Linke eröffnen, der durch einen Bauchschuß lebensgefährlich verletzt wird, gelingt es Baader, Meinhof und den beiden Tätern zu fliehen. Eine Woche später veröffentlicht die in West-Berlin erscheinende anarchistische Zeitschrift Agit 883 unter der Überschrift „Die Rote Armee aufbauen!“ eine Erklärung zur Befreiung Baaders. In dem vermutlich von Ulrike Meinhof verfaßten Appell heißt es, die „Baaderbefreiungs-Aktion“ sei keine vereinzelte Aktion gewesen, sondern nur die erste dieser Art in der Bundesrepublik. Kurz darauf setzt sich der Kern der im Aufbau befindlichen RAF in den Nahen Osten ab. In einem Ausbildungslager der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) trainieren sie das blutige Handwerk des Guerillakämpfers.

Während innerhalb der radikalen Linken heftige Auseinandersetzungen über das Verhältnis zum Terror stattfinden und sich Intellektuelle wie Herbert Marcuse und Oskar Negt von den Bombenanschlägen der in die Bundesrepublik zurückgekehrten RAF distanzieren, spricht sich Joschka Fischer öffentlich gegen eine Entsolidarisierung mit den Terroristen aus. Nach der Festnahme der RAF-Kader besucht Jean-Paul Sartre in Stammheim Andreas Baader und erklärt dessen durchaus komfortable Haftsituation als „psychologische Folter“. Doch kamen der Wahnsinn und die Mordlust erst nach dem Selbstmord der „Stammheimer“ in den nachfolgenden RAF-Generationen richtig zum Tragen. Im Kugelhagel der selbsternannten Stadtguerilla zerstoben letztlich sämtliche linken Träumereien, wie ein Blick in die aktuelle Ausgabe (Nr. 72) der Zeitschrift Geo Epoche, die sich mit Gründung und Entwicklung der RAF beschäftigt, bestätigt. So klingt manches aus den Textsammlungen der RAF wie ein Echo aus Hitlers Führerbunker, denn was die RAF auszeichnete, war die gleiche totalitäre Energie, die auch das NS-Regime sich auf seine Fahnen geschrieben hatte. Sieht man von dem aufschlußreichen Interview mit Wolfgang Kraushaar, dem Chronisten der Achtundsechziger-Bewegung ab, so ist die Lektüre des Heftes zwar eine Strapaze, aber richtig gelesen ein wichtiger Beitrag zur Bewußtseinsbildung über Linksterrorismus. Beigelegt ist die DVD „Black Box BRD“ über den Bankier Alfred Herrhausen und den Terroristen Wolfgang Grams, ein Doppelporträt über ein Opfer und einen Täter.


Kontakt: Geo Epoche, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. Das Einzelheft kostet 10 Euro (mit DVD 17,50 Euro).  www.geo-epoche.de