© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

DVD: Wir waren Könige
Die Fronten verschwimmen
Werner Olles

In einer deutschen Stadt stürmt ein Sondereinsatzkommando der Polizei eine Wohnung, doch der vermeintliche Routinezugriff läuft aus dem Ruder. Zwar werden zwei der Verbrecher erschossen, aber ein dritter kann flüchten, und einer der SEK-Beamten wird schwer verletzt. Für die Gruppenleiter Kevin (Ronal Zehrfeld) und Mendes (Mišel Maticevic) markiert diese Eskalation einen neuen Höhepunkt der Gewalt, die ihnen in den letzten Jahren entgegenschlägt.

Zudem will das Innenministerium aus Kostengründen mehrere SEK-Einheiten auflösen, weshalb die Gruppe unter besonderer Beobachtung steht. Als zwei Kollegen von Mendes erschossen werden und eine Dienstwaffe verschwindet, gerät die Situation völlig außer Kontrolle. Jeder kämpft gegen jeden, zerrissen von der Frage, was wirklich zählt: Freundschaft oder Moral.

Parallel dazu wird die Geschichte einer jugendlichen Straßenbande erzählt, die in dem Viertel ihren kriminellen Geschäften nachgeht. So beginnt ein verhängnisvoller Kreislauf aus Gewalt, Korruption, Machtmißbrauch und Selbstjustiz. 

Auch in vielen amerikanischen Polizeifilmen wird der Held zum Vertreter eines Systems, mit dem er selbst nur schwer zurechtkommt. Seelisch verwundet, besteht sein Haß zum großen Teil aus Selbsthaß, weil die einzigen menschlichen Beziehungen, die er hat, von der Gegenseite kommen, einem Spitzel oder einer Hure. In Philipp Leinemanns Polizeithriller „Wir waren Könige“ (2014) werden die Polizisten genau wie die Ghettobanden von den gleichen Denkstrukturen beherrscht; nicht ein Ziel treibt sie voran, sondern die bloße Vorwärtsbewegung der Geschehnisse. Sie sind süchtig nach der Jagd, der Gewalt und dem Erfolg, egal ob es sich um einen kleinen Dealer handelt oder um einen der großen Bosse. Sie wissen um die Korruption, die für den einfachen Polizeibeamten nicht erreichbar ist. Die klaren Fronten verschwimmen. Von einer Streetgang unterscheidet sich Leinemanns SEK-Team durch nicht viel mehr als die Uniformen und daß es seine eigentliche Funktion verloren hat, den Bürger zu schützen. Daß „Wir waren Könige“ diese radikale Kritik an gesellschaftlichen Zuständen offensichtlich aus politischer Korrektheit nicht zum Tragen kommen läßt, nimmt dem Film viel von seiner Glaubwürdigkeit.

DVD-Bluray: Wir waren Könige. Universum Film 2015, Laufzeit etwa 103 Minuten