© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Ganz vorn in der Schlange steht der Öko-Pharisäer
Der Ressourcenhunger der EU-Staaten hilft fleißig, den Regenwald zu dezimieren / Zielvorgaben für Biodiesel und E10
Dieter Menke

Der internationale Gipfel-Zirkus, wie jüngst der G7 im oberbayerischen Elmau, bietet Europäern, vor allem aber den Deutschen, regelmäßig eine Bühne, um als Anwälte des Weltklimas, der Regenwälder und der Artenvielfalt zu brillieren. Alles Theater, wie Heimo Classen in Welt-Sichten (5/15) ätzt.

Denn nicht die von deutschen Öko-Pharisäern gern als unersättliche Ressourcenräuber angeklagten US-Amerikaner und die Chinesen seien schuld daran, daß alle zwei Minuten mit einem illegal gerodeten Stück Tropenwald in Fußballfeldgröße auch die grüne Lunge des Planeten schrumpft.

Palmöl nach Deutschland, Soja nach Frankreich

Nein, die Europäer führen die Kundenschlange an, die nach Holz giert oder nach jenen Produkten, die auf den Kahlschlagflächen erzeugt werden: Soja und Fleisch. In Brasilien ist 90 Prozent der Waldzerstörung illegal, Indonesien, Malaysia und Paraguay schließen dicht auf. Drei Viertel des daraus erlösten Exportertrags allein der Lateinamerikaner, so zitiert Classen eine neue Studie des internationalen Netzwerks von Waldschutzorganisationen (FERN), gehe nach Europa. Palmöl (Stichwort: Biodiesel und E10) wird vornehmlich in die Niederlande und nach Deutschland geliefert, Rindfleisch nach Großbritannien. Frankreich nimmt das meiste Soja, das auf ehemaligem Regenwaldterrain angebaut wird. Zwischen 2002 und 2012 gingen 36 Prozent des Welthandels mit Produkten, für die Regenwald vernichtet wurde, in EU-Staaten.

Von Brüssel und Berlin gesetzlich fixierte Anteile von Biosprit aus Palmöl sowie Zucker und Mais für Äthanol dürften den Druck auf die Ausweitung tropischer Anbauflächen erhöhen. Daß sich die EU-Mittel zum Erhalt des Tropenwaldes seit 2002 von 130 auf 493 Millionen Euro fast vervierfachten, ist für Classen kein Trost, denn gleichzeitig erhöhten sich die Investitionen von EU-Anlegern in kommerzielle Agrarflächen der Tropenwaldgebiete von 657 Millionen auf 1,57 Milliarden Euro.