© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/15 / 26. Juni 2015

Satzungsänderung geht vor Gericht
Vertreibungen: Sudetendeutsche Landsmannschaft streitet über Restitutionsansprüche
Gernot Facius

Bernd Posselt (CSU), Sprecher und Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL), gab sich zuversichtlich: Die von der Bundesversammlung am 28. Februar mit etwas mehr als 70 Prozent beschlossene Satzungsänderung sei eine „saubere Lösung“, sie mache die Organisation „zukunftsfest“. Das sehen längst nicht alle der – angeblich – 250.000 Mitglieder so. Die Streichung des Satzungszieles „Wiedergewinnung der Heimat“, aber noch mehr der ausgesprochene Verzicht auf Restitution beziehungsweise gleichwertige Entschädigung stoßen auf Widerstand – nicht nur beim nationalkonservativen Witikobund, den die SL-Spitze in die rechtsradikale Ecke stellen möchte und vom Sudetendeutschen Tag verbannt hat. Der Konflikt um die Satzung hat längst die juristische Ebene erreicht. 

Als erster erhob der Münchner Rechtsanwalt Heinz Veauthier im Auftrag seines Mandanten Ingolf Gottstein Einspruch. Eine Eintragung ins Vereinsregister könne nicht stattfinden, weil der umstrittene Beschluß eine Veränderung des Vereinszwecks darstelle. Dafür sei nach Paragraph 33 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich. Die Gegner der Satzungsänderung haben, zumindest vorerst, das Registergericht auf ihrer Seite. Es stützte diese Argumentation. Und zwar in einer Mitteilung vom 19. Mai 2015, wenige Tage vor dem Sudetendeutschen Tag in Augsburg. 

„Diese wichtige Tatsache wurde gezielt geheimgehalten“, empören sich die Beschwerdeführer. „Der ST 2015 wurde dazu mißbraucht, die Änderung des Vereinszwecks zu feiern, obwohl diese Zweckänderung nichtig, also ungültig ist. Der mit einer nichtigen Zweckänderung eingeschlagene Weg ist ein Irrweg und entspricht nicht den Interessen der Sudetendeutschen.“ 

Der Zorn richtet sich nun auch gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) als Schirmherrn der Volksgruppe. Seehofer habe mit seiner Ankündigung, Bayern lasse Extremisten „keinen Millimeter Raum“, all die Landsleute diffamiert, die, gestützt auf eine gültige Satzung, das Heimatrecht der Sudetendeutschen „mit Fug und Recht gegen die Egomanie und den Narzißmus einiger Zeitgenossen trotz aller Einschüchterungsversuche mutig verteidigen“. Die Kritik des Klägers Gottstein gipfelte in der Forderung, der Sudetendeutsche Tag 2015 müsse wiederholt werden. Relativ zurückhaltend, um nicht zu sagen: kleinlaut, fiel die von Bundesgeschäftsführer Christoph Lippert verbreitete Antwort des SL-Bundesverbandes in München aus. Es sei nicht wahr, daß die Satzungsänderung abgelehnt worden sei, es gebe Einsprüche, „zu denen wir Stellung genommen haben“. Das sei das ganz normale Verfahren, „und wir sind sicher, daß wir am Ende recht bekommen werden“. 

Kritik am Demokratieverständnis

Eine Reihe von Musterprozessen in ähnlichen Fällen bestätige die Landsmannschaftsführung in dieser Rechtsauffassung. Bemerkenswert ist, was Bernd Posselt in diesem Kontext betonte: „Noch viel wichtiger als die Satzungsänderung sind außerdem die mit über 90prozentiger Mehrheit gemachten Aussagen in unserer neuen Grundsatzerklärung, die jetzt schon in Kraft sind.“ Wird damit schon ein möglicher Rückzug von der „Reform“ angedeutet? 

In diesem langatmigen Text heißt es unter anderem, ohne einen direkten Bezug zur tschechischen Seite: Die SL arbeite darauf hin, daß Unterdrückung, Diskriminierung beziehungsweise „ethnische Säuberungen“ weltweit geächtet und die universalen Menschen- und Grundrechte sowie das Recht aller Völker und Volksgruppen auf Heimat und Selbstbestimmung garantiert würden. Das ist den Kritikern  zu vage. 

Im Vorstand der hessischen SL-Landesgruppe wurde die Auffassung vertreten, die strittige Formulierung „Rückgewinnung der Heimat durchzusetzen“ sei keine geographische Forderung, sondern eine persönliche. Eine Klarstellung zu diesem Punkt wäre viel einfacher realisierbar gewesen als eine so gravierende Satzungsänderung. Mit Unmut wurde auf den Ausschluß des Witikobundes vom ST reagiert. Dieser Vorgang spiegele ein mangelndes Demokratieverständnis wider.