© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/15 / 26. Juni 2015

Grüße aus Bern
Berner Wasserspiele
Frank Liebermann

Zu den immer wiederkehrenden Ereignissen in Bern zählen nicht nur der Zibelemärit (Zwiebelmarkt), das Cupfinale des Schweizer Fußballverbands, Ausschreitungen der Linksautonomen, sondern auch kleinere Naturkatastrophen. Mit großer Regelmäßigkeit sorgt Hochwasser für Hektik in der Stadt, da es immer wieder einige Stadteile zu überfluten droht.

Nun war es mal wieder soweit. Viele der Gewässer im Kanton Bern waren randvoll. In etlichen Gebieten traten Flüsse und Seen über die Ufer, was vor allem für eine kleinere Panik in den großen umliegenden Städten Berns, Thun und Biel, sorgte. Überflutete Keller, Straßen unter Wasser und einige kleinere Erdrutsche sorgten für Aufregung. Daß kein Chaos dabei entstand, liegt vor allem in der Übung der Katastrophenhelfer, da solche Ereignisse fast jährlich vorkommen. 

Der Vorwurf: Die vorgelagerten Städte öffnen ihre Schleusen an den Seen viel zu früh.

Kritisch wird die Situation in Bern häufig im Frühjahr. Gründe dafür sind die nahen Berge und die vorgelagerten Seen. Die Aare entspringt den Aargletschern im Grimselgebirge. Von dort fließt sie über den Brienzersee in den Thunersee, wo sie auch den Fluß Kander aufnimmt. Wenn nun in den Bergen die Schneeschmelze eintritt und gleichzeitig heftige langanhaltende Regenfälle hinzukommen, ist ein Hochwasser für Bern sehr wahrscheinlich.

Sobald das Hochwasser akut wird, starten die unterschiedlichsten Verschwörungstheorien an den Stammtischen. Die Berner unterstellen den vorgelagerten Städten grundsätzlich, diese würden ihre Schleusen an den Seen zu früh öffnen, damit das Hochwasser ja nicht bei ihnen stattfindet, sondern flußabwärts. Die armen Opfer sind dann immer die Berner. So ungerecht ist der Föderalismus.

Einen Kern Wahrheit haben die Gerüchte. Die Kommunen sind oft nicht koordiniert und verfolgen stur ihre Eigeninteressen, was häufig zu einer nicht optimalen Steuerung der Schleusen führt.

Allerdings war es dieses Jahr nicht so schlimm wie ursprünglich befürchtet. Zwar trat die Aare an einigen Stellen über die Ufer, vor allem in Teilen der Altstadt und im Tierpark. Die Betroffenen gingen unterschiedlich damit um. Während der Berner Stadtlauf eine Ausweichroute nehmen mußte und viele Läufer motzten, schien die Situation im Tierpark anders. Die Wildschweine, deren Gehege leicht überflutet war und matschig wurde, wirkten nicht traurig. Es hatte fast den Anschein, als ob sie die Situation genossen hätten.