© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/15 / 26. Juni 2015

CD-Kritik: Nicolai Gedda
Zweite Wahl
Jens Knorr

Geddas Anstrengungen sind darauf gerichtet“, schrieb der Kritiker Irving Kolodin, „Probleme zu lösen; die der meisten Sänger zielen darauf, sie zu umgehen.“ Der schwedisch-russische Tenor sang im deutschen, französischen, italienischen und russischen Fach – in durchaus unterschiedlicher Qualität. Und er sang früh schon in Operetten von Strauß und Lehár. Aber keine dieser legendären Aufnahmen bietet eine Box mit einer Strauß- und vier Lehár-Operetten, die von der EMI zum 90. Geburtstag des Tenors editiert wurde, sondern Aufnahmen des Kölner Electrola-Labels aus den Sechzigern und Siebzigern, einer Zeit, da die deutsche Operettenwelt wieder in Ordnung gekommen schien.

Verkleidet als Barinkay, Graf von Luxemburg, Paganini, Zarewitsch oder Sou-Chong, blickt Nicolai Gedda von den originalen, verkleinert reproduzierten, Plattenhüllen seltsam fremd. Auch auf der Klangbühne hält seine Darstellung Abstand zu der blut- und bodenständigen deutschen Operettengarde.

Die Auswahl ermöglicht aufschlußreiche Rückblicke auf die Interpretationsgeschichte dieser Operetten und die Mentalitätsgeschichte der alten Bundesrepublik. Ob die „favourite operetta heroes“ dieses skrupulösen Sängers hier ihre „favourite recordings“ gefunden haben, darf zumindest im Falle von „Land des Lächelns“ und „Zigeunerbaron“ bezweifelt werden.

Nicolai Gedda My favourite opera recordings Warner Classics, 2015  www.warnerclassic.com