© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/15 / 26. Juni 2015

Omas sind die neuen Trendsetter
„Granny Hair“: Junge Frauen färben ihre Haare mit großem Aufwand grau
Elena Hickman

Großmütter waren schon immer die Ab­ge­klärt­esten. Alles was Jugendliche „cool“ macht – sich nicht um die Meinung anderer zu kümmern, sie selbst zu sein – leben Omas schon längst. Es ergibt also nur Sinn, daß junge Frauen etwas von dieser unumstrittenen Haltung ihrem Stil hinzufügen wollen. Seit einiger Zeit gibt es deshalb den Trend „Granny Hair“ (auf deutsch „Oma-Haar“), bei dem sich junge Frauen ihr Haar grau färben. Es sieht verstörend schön aus und wird auch das „neue Blond“ genannt. Obwohl die ersten grauen Haare sonst Menschen in Angst und Schrecken versetzen, machen junge Frauen es völlig freiwillig. Ganz nach dem Motto „Ich bin so selbstsicher jung, ich kann mir sogar die Haare grau färben.“ Die Schattierungen reichen dabei von Dunkelgrau über ein Grace-Kelly-Blond bis blendend weiß, manchmal mit rosa, lila oder bläulichen Schattierungen versetzt. Auf Twitter und Instagram finden sich unter dem Stichwort #grannyhair immer mehr Bilder von jungen Frauen, die stolz ihre graue Haarpracht vorstellen.

Wer künstlich grau trägt, zeigt Selbstbewußtsein ...

Die paradoxe Vermischung von Jugend und Alter sorgt nicht nur im Internet für Aufmerksamkeit. Die Berliner Modebloggerin Masha Sedgwick liebt ihre grauen Haare und verrät: „Fast täglich werde ich auf meine Haare angesprochen, und viele wollen wissen, wie ich meine Haarfarbe so hinbekommen habe.“ Wer künstlich grau trägt, zeigt Selbstbewußtsein. Deshalb überrascht es nicht, keine „grauen Mäuse“, sondern hippe und ausgefallene Persönlichkeiten mit den grauen Haaren zu sichten. Auffallend viele kombinieren dabei ihre blasse Haarpracht mit dunklem oder grellem Lippenstift, mutig manikürten Nägeln und starkem Make-up. Fans von Computerspielen oder Manga-Büchern sind wahrscheinlich die größten Unterstützer dieses Trends. Und natürlich viele Ältere, wie etwa die Nutzerin eines Internetforums, die den Trend lakonisch hinnimmt und mit Humor fragt, ob „als nächstes bitte Falten angesagt sein“ könnten?

Auch immer mehr Promis wagen sich in die modische Grauzone. Kelly Osborne kombinierte ihre grauen Haare mit ein bißchen Lila, Nicole Richie wechselte zwischen Hell-, Dunkel-, Lila- und Blaugrau, und Rihanna ließ sich für das Tush-Magazin mit einer weiß-gepuderten Perücke ablichten.

Der Promi-Friseur Udo Walz sagt aus Erfahrung: „Junge Mädchen mögen das sehr“ und findet den Trend bei Kurzhaarschnitten schön. Allerdings mache es bei langen Haaren etwas müde, gibt der 70jährige zu bedenken. Bei jungen Kundinnen scherzt er vor dem Graufärben: Gleich wüßten sie, wie sie später mal aussehen. Wer sich für die neue Mode entscheidet, sollte aber unbedingt zum Friseur gehen, warnt der Profi, „sonst bekommt man den Ton nicht hin oder die Haare sind geschädigt“.

An dieser Hürde scheitern dann auch manche, denn nicht alle Friseure unterstützen das „Granny Hair“. Eine Judith berichtet in einem Internetforum: „Mein Friseur hat mich nur extrem böse angeschaut, als ich vorgeschlagen hab, meine Haare grau zu färben.“ Die Prozedur ist anstrengend für die Haare. Wer nicht mit einer Glatze enden will, sollte ein paar Wochen Geduld haben. Die Haare müssen immer wieder gebleicht werden, bis fast kein Gelbton mehr zu sehen ist. Das trocknet die Haare aus und läßt sie leicht brechen, weshalb viel Pflege und spezielle Shampoos absolut notwendig sind. Nach dem Bleichen wird eine graue oder silbrige Tönung aufgetragen – eine graue Farbe gibt es nicht. Die Tönung wäscht sich mit der Zeit heraus, muß also regelmäßig aufgetragen werden.

Lange Zeit waren „Alter“ und „Älterwerden“ Tabuthemen in der Modewelt. Das ändert sich: Kosmetikindustrie und Werbung umgarnen die „65+“ als kaufkräftige „Silversurfer“, und auch die Fashionindustrie zieht nach: Donna Karan zeigte bei der Modenschau mehrere Generationen, Dolce & Gabbana kleidete für ein Fotoshooting drei alte Damen in die neue Kollektion, und Gucci schickte ein junges Model mit „Granny Hair“ über den Laufsteg. Trotzdem ist jetzt nicht über Nacht der große gesellschaftliche Wandel zu erwarten.

... und den meisten steht das überraschend gut

Junge Frauen färben ihre Haare grau, weil sie anders sein und sich von der Menge abheben wollen. Und den meisten steht das überraschend gut. Allerdings sind auffallend viele junge Frauen, die sich an den Trend wagen, sehr schön – und eine schöne Frau sieht auch mit grauen Haaren noch gut aus.