© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Im Haus des Schreckens
Berlin: Von Zigeunern bewohnte „Schrottimmobilien“ sorgen für Ärger
Felix Lehmann

Die Fassade ist heruntergekommen, die Tür mit Farbe und Schmutz beschmiert. Im Hof liegen Unrat und Müll. Das Haus in der Grunewaldstraße 86 in Berlin-Schöneberg hat schon bessere Tage gesehen. Es ist eines von geschätzt 49 „Schrotthäusern“ in Berlin, die überwiegend von aus Südosteuropa eingewanderten Zigeunern bewohnt werden und seit Wochen für Schlagzeilen sorgen.

„Die werfen den Müll einfach aus dem Fenster!“ berichtet einer der wenigen verbliebenen deutschen Bewohner. Wegen Beleidigungen, Sachbeschädigungen, Diebstählen und Einbrüchen ist die Polizei in dem Haus im Dauereinsatz.

Viele Roma haben keine Perspektive

Im Hausflur fallen die Stahltüren vor einigen Wohnungen auf. Im Hinterhaus riecht es streng nach Urin. Ratten sind ein Problem, berichtet der Mann. Zeitweise hätten in dem Haus bis zu 200 Roma gelebt. „Die meisten wurden Ende September, Anfang Oktober hier einquartiert.“ Seit der EU-Osterweiterung kommen viele Roma in der Hoffnung nach Deutschland, der Perspektivlosigkeit und Diskriminierung zu entgehen. Doch ohne Deutschkenntnisse und fachliche Qualifikation scheitern sie meist auch hier.

Die Mietparteien teilen sich auf verschiedene rivalisierende Roma-Clans auf, die den Wohnraum untereinander schwarz weitervermieten, erzählt eine Bewohnerin des Hauses. Einzelne Zimmer würden für bis zu 800 Euro vermietet. Wer zahlt soviel Geld für so heruntergekommenen Wohnraum? Meist geschieht dies aus Unwissenheit, oder weil die Roma nirgendwo anders eine Wohnung finden. Der Hauseigentümer soll den Wohnraum über Mittelsmänner an die Roma-Familien vermieten. Weil sich die Roma leichter ausbeuten lassen, sagen die einen. Weil der Eigentümer die Alteingesessenen durch „Roma-Terror“ entmieten will, um leichter gentrifizieren zu können, sagen die anderen.

Den Hauseigentümer scheinen die desolaten Zustände in dem Haus nicht zu kümmern. Wechselseitige Vorurteile zwischen Roma und Alteingesessenen verschärfen die Spannungen. Erst nach massivem Druck der Behörden werden nun zumindest die leerstehenden Wohnungen vernagelt. Doch die Spanholzplatten halten oft nicht lange – sie werden einfach wieder eingerissen und die Wohnungen neu bezogen, illegal natürlich. Vor manchen Eingängen wurden deshalb jetzt schwere Metalltüren angebracht.

Szenenwechsel: Ein Supermarkt in der Nähe. Die Filialleiterin hat auch ihre Erfahrungen mit den Bewohnern des Hauses gemacht. Angesichts massiver Ladendiebstähle wirkt die Frau hilflos. „Die kommen hier mit mehreren Leuten rein und klauen beutelweise“, berichtet sie. Gestohlen werde alles, was man verwenden kann oder was Geld einbringe. Vor allem Parfüms sind eine beliebte Beute. Regelmäßig stehen mehrere Hausbewohner vor dem Supermarkt und beobachten die Filiale oder rufen: „Wir machen euch kaputt.“ Vor allem sonntags wird es schwierig, weil nur wenig Personal im Geschäft ist. „Wenn die sonntags kommen, sage ich meinen Mitarbeitern nur: Laßt die machen.“ Auch Kunden sei beim Einkaufen bereits die Geldbörse gestohlen worden. Seit kurzem stehen häufig Mannschaftswagen der Polizei vor dem Supermarkt. Zudem hat die Regionalleitung der Supermarktkette einen Wachdienst engagiert. Jetzt sei es ruhiger geworden, berichtet die Filialleiterin. In der Grunewaldstraße schließen einige Ladenbesitzer die Tür zu ihrem Geschäft mittlerweile ab. Hineingelassen wird nur, wer vorher anklopft – und nach einer Gesichtskontrolle.

Bistro-Besitzer fürchtet um seinen Laden

Die Spur der geklauten Parfüms aus dem Supermarkt läßt sich schnell weiterverfolgen. Der Besitzer eines Friseursalons berichtet, bei ihm kämen regelmäßig Roma vorbei und würden Parfüms und anderes Diebesgut zum Kauf anbieten. Auch habe das Drogenproblem in der Gegend zugenommen, seitdem immer mehr Roma in der Grunewaldstraße 86 wohnten. Seit Jahresbeginn bevölkern Junkies vor allem die Gegend rund um  die nahe Apostel-Paulus-Kirche, berichtet der Mann. Ein Bistrobesitzer neben dem Haus erzählt von Schlägereien in seinem Laden. Gerade vor einem Monat wurde die Fensterscheibe eingeschlagen. Der gebürtige Tamile hat sein Bistro erst vor sieben Monaten eröffnet. Ob er seinen Laden halten kann, weiß er nicht.

Unterdessen ist vor dem Haus in der Grunewaldstraße 86 eine kleine NPD-Demonstration aufgezogen. Rund ein Dutzend Demonstranten skandiert: „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma.“ Ungefähr ebenso viele Gegendemonstranten antworten mit „Haut ab!“-Rufen.