© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Grüße aus London
Herrgott, Sir, so sieht’s aus
Derek Turner

Das Kanonenfeuer ist mittlerweile verklungen, die Schlacht selber hallt jedoch nach wie vor in der Vorstellungswelt der Briten nach. Waterloo und die sich darum rankenden Legenden und Geschichten spielen bis heute eine zentrale Rolle für die nationale Identität der Briten: die Rotröcke, die in Karreeformation kämpften und fielen, der Angriff der schottischen Grauröcke und viele weitere symbolträchtige Bilder. Eine dieser Geschichten bringt die stoische Haltung, die die Engländer seinerzeit hochhielten, besonders prägnant auf den Punkt: der Earl von Uxbridge, dem eine Kanonenkugel das Bein zerschmettert hatte. Er soll ausgerufen haben: „Herrgott noch mal, Sir, ich habe mein Bein verloren!“, woraufhin der Herzog von Wellington erwiderte: „Herrgott noch mal, Sir, so sieht’s aus!“ 

Die unzeitgemäße Überbringung der Siegesbotschaft aus Waterloo führte zum Eklat.

Im Zug der Schlacht-Nachstellung reisten zwei Schauspieler zu Pferde, mit Postkutsche und Schiff vom Schlachtfeld zum Londoner St. Jame’s Square, um Prinzessin Anne, die die Rolle des Regenten übernahm, die Nachricht von Wellingtons Sieg zu überbringen. 

Im Gegensatz zu ihren historischen Vorbildern, Major Percy und Kommandant White, die staubbedeckt mit blutbeschmierten französischen Flaggen in London eintrafen, waren die Uniformen der beiden Schauspieler makellos. Einem Augenzeugen zufolge sei der Regent in „eine Art weibische Hysterie verfallen“ und ließ sich nur wiederbeleben, indem man ihm Wasser über den Kopf schüttete, woraufhin er „seine Gefühle in einem Meer aus Rotwein ertränkte“.

Die einzige Person in England, die von der Siegesnachricht alles andere als begeistert war, dürfte die Gastgeberin gewesen sein, auf deren Ball der Regent sich vergnügt hatte – eine gewisse Mrs. Boehm. Der erste Tanz hatte kaum begonnen, da brach die Musik ab, und die Aufmerksamkeit der Gäste galt Percys Kutsche, „aus deren Fenstern drei scheußliche französische Adler ragten“, wie Mrs. Boehm sich beschwerte. 

Später klagte sie einer Freundin ihr Leid: „All unsere Mühen, Sorgen und Kosten waren vollkommen verschwendet infolge von, wie soll ich sagen? – Nun, ich muß es sagen: der unzeitgemäßen Überbringung der Siegesbotschaft aus Waterloo! Natürlich war man sehr froh zu vernehmen, daß man diese gräßlichen Franzosen besiegt hatte; dennoch finde ich nach wie vor, daß es weitaus besser gewesen wäre, wenn Henry Percy bis zum nächsten Morgen gewartet hätte, statt uns in derart unziemlicher Eile damit zu überfallen.“