© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Den Krieg gegen den Islamismus will kaum einer führen
Frankreich: Während die Regierung Hollande nach dem Anschlag von Lyon von Terror spricht, geißelt Marine Le Pen deren „kriminelles“ Nichthandeln
Friedrich-Thorsten Müller

Nur knapp ein halbes Jahr nach dem islamistischen Überfall auf die islamkritische französische Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo erschüttert ein neuer Angriff mit offenbar islamistischem Hintergrund die französische Öffentlichkeit. In Saint-Quentin-Fallavier, einem Vorort von Lyon, ermordete  der 35jährige LKW-Fahrer Yassin Salhi zuerst seinen Chef und versuchte dann, mit einem Lastwagen voller Gasflaschen die Gasfabrik in die Luft zu jagen, bei der er beschäftigt war. Dabei wurden zwei weitere Personen verletzt. 

Der gleich nach dem Anschlag festgenommene Attentäter schwieg zunächst, hat aber in der Zwischenzeit gestanden, auch seinen Chef ermordet zu haben. Dessen vom Rumpf abgetrennter Kopf fand sich aufgehängt am Zaun der Firma, drapiert mit zwei Fahnen mit dem islamischen Glaubensbekenntnis.

Zwar behauptet der nicht vorbestrafte Täter inzwischen, er habe aus privaten und beruflichen Gründen einen „medienwirksamen Selbstmord“ geplant, den er als islamistische Tat tarnen wollte. Da Salhi aber in der salafistischen Szene verkehrte und für die Sicherheitskräfte eigentlich zur Abhörung freigegeben und damit polizeibekannt war, erscheint dies als wenig glaubwürdige Schutzbehauptung. Außerdem hat er nach der Enthauptung mit dem Handy ein „Selfie“ von sich und dem Kopf des Enthaupteten geschossen und dieses an eine vermutlich konspirative Telefonnummer in Kanada geschickt. Neben der Tatsache, daß nun zum erstenmal auch auf französischem Boden eine islamistische Enthauptung stattgefunden hat, erschütterte Frankreich besonders die – vermutlich zufällige – zeitliche Übereinstimmung mit dem islamistischen Amoklauf im tunesischen Sousse. 

Präsident François Hollande brach wegen des Anschlags seine Teilnahme am EU-Gipfel in Brüssel ab und berief eine Sitzung des französischen Sicherheitskabinetts ein. Bei der Bewertung der Ereignisse hielt er sich betont zurück und sprach von einem „Angriff terroristischer Natur“, ohne einen Zusammenhang zu Islamismus oder Islam herzustellen. Deutlicher wurde Premierminister Manuel Valls in einer Wortmeldung im Journal du dimanche: „Wir sind nicht im Krieg mit dem Islam. Diese Schlacht wird innerhalb des Islam geschlagen, zwischen dem Islam, wie er von der überwältigenden Mehrheit unserer Landsleute muslimischer Konfession praktiziert wird, die für die Werte des Humanismus stehen, und einem finsteren und totalitären Islamismus.“ Er warnte davor, daß sich die französische Gesellschaft durch einen „reaktionären Block“ aus „Rechtsextremisten und Populisten“ auseinanderdividieren lassen könnte, der „die Islamfrage zu Wahlkampfzwecken mißbraucht“. Gleichzeitig räumte er ein, daß Frankreich sich in einem „Krieg der Zivilisationen“ befinde. Eine Sichtweise, für die – so der Sprecher der „Republikaner“, Sébastien Huyghe, über Twitter – Nicolas Sarkozy von Valls jahrelang kritisiert wurde. Eine Formulierung, die aufgrund ihrer Nähe zu Samuel Huntingtons „Kampf der Kulturen“ von sozialistischen Abgeordneten wie Julien Dray auch weiterhin kritisch gesehen wird, da er es ablehnt, „die arabisch-islamische Zivilisation als Bedrohung im Verhältnis zur christlich-jüdischen zu sehen“.

Am deutlichsten reagierte bereits zwei Stunden nach dem versuchten Selbstmordattentat die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen. Sie kritisierte das „kriminelle“ Nichthandeln der Regierung und forderte in diesem Kontext mit Nachdruck, den Bau neuer Moscheen in Frankreich zu unterbinden. Darüber hinaus müßten vorhandene Moscheen besser kontrolliert und „alle Predigten überwacht“ werden. Schweigeminuten seien „nicht die richtige Antwort“, vielmehr müsse man terrorverdächtige Ausländer „sofort ausweisen und französischen Terrorverdächtigen mit Einwanderungshintergrund die französische Staatsbürgerschaft entziehen“.