© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Einseitig und fehlerhaft
Berichterstattung über Ungarn: Eine Studie wirft den deutschen Medien eine Verfälschung der Realität vor
Christian Schreiber

In der vergangenen Woche brachte Spiegel Online wieder einmal schwere Geschütze in Stellung. Im Zentrum der medialen Kritik stand erneut der ungarische Regierungschef Viktor Orbán. Der Rechtskonservative ist nach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin derzeit der wohl meistgehaßte Politiker in den Medien. Früher sei Orbán ein Radikalliberaler gewesen, heute rücke er stetig nach rechts, konstatierte das Medium und äußerte die Befürchtung, Ungarn befinde sich auf dem Weg in eine Diktatur, zumindest aber auf einem „antidemokratischen Abweg“.

Kein Geld von Regierungsorganisationen

Gegen diese Darstellung wehrt sich nun eine Studie der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“, die jüngst in Berlin vorgestellt wurde. An der Studie war der frühere SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi maßgeblich beteiligt. Auf 28 Seiten kommen die Autoren zu dem Schluß, daß die Darstellungen über die politischen Zustände in Ungarn seit Orbán Zweidrittelmehrheit „teilweise als unvollständig und einseitig, mitunter auch als fehlerhaft“ bezeichnet werden könnten. Dohnanyi erklärte, die Studie sei von deutschen Spendern finanziert worden. Umgehend geäußerte Mutmaßungen, die Gesellschaft habe Gelder von ungarischen Regierungskreisen erhalten, wies der frühere Hamburger Bürgermeister als „unzutreffend und unseriös“ zurück. Ihm gehe es vielmehr darum, „unbequeme Denkanstöße“ zu geben, um eine „reflexartige Ächtung“ zu verhindern. Dem ungarischen Regierungschef gehe es nicht darum, „eine Diktatur zu errichten, sondern in einer entfesselten, ultraliberalisierten Welt einen Staat und eine Gesellschaft zusammenzuhalten und zu stabilisieren, die vom Transformationsprozeß stark betroffen ist“. Allerdings räumen die Autoren auch ein, daß die schlechte Außendarstellung zum Teil hausgemacht sei: „Orbáns provozierende Art ist mit Sicherheit ein großes Problem.“