© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/15 / 10. Juli 2015

Frisch gepresst

Kriegsgefangen. Das Geheime Staatspolizeiamt war keine NS-Schöpfung, sondern verdankt seine Entstehung der Bürgerkriegslage in der späten Weimarer Republik. An seiner Spitze standen 1933 die Verwaltungsjuristen Rudolf Diels (1900–1957) und Heinrich Schnitzler (1901–1962), die 1934 Himmler und Heydrich weichen mußten. Der dem konservativ-katholischen rheinischen Bürgertum entstammende Schnitzler, der schon nach dem Reichstagsbrand polizeiliche Maßnahmen nicht im Sinne der NS-Regierung umgesetzt hatte, wurde in den Verwaltungsdienst seiner Heimat abgeschoben und „emigrierte“ 1939 in die Wehrmacht. Während seiner Dienstzeit bestanden Kontakte zu Widerstandskreisen um Carl Goerdeler. Seine NS-Gegnerschaft ersparte dem Luftwaffenhauptmann jedoch nicht ein hartes halbes Jahr in US-Kriegsgefangenenlagern. Das dabei entstandene, nun von seinen Söhnen veröffentlichte Tagebuch vermittelt Einblicke in die bildungsbürgerliche Gedankenwelt des „anderen Deutschland“ (Ulrich von Hassell). Vor dem Hintergrund des immer wieder aufkochenden Historikerstreits um den Reichstagsbrand im Februar 1933 ist unter zahlreichen politischen Reflexionen Schnitzlers Urteil sicher beachtenswert: „Der Reichstag wurde von dem Pyromanen van der Lubbe angezündet, ohne Auftrag, allein aus krankhafter Veranlagung.“ (ob)

Dierk H. & Klaus M. Schnitzler (Hrsg.): Prisoner of War Nr. 3404933. Tagebuch 31. März 1945 bis 22. September 1945. Books on Demand, Norderstedt 2014, gebunden, 174 Seiten, 19,90 Euro





Norwegen. Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs würdigend, in dem Großbritannien die nördliche Nordsee für seine Seeblockade nutzte, lösten Ende 1939 britische Anstrengungen, in Norwegen Fuß zu fassen und so erneut die Einkreisung von Norden anzustreben, in Berlin hektische Betriebsamkeit aus. Diese mündete im Frühjahr 1940 in der Besetzung Dänemarks als „Durchgangsland“ und dem Krieg gegen Norwegen. Der Historiker Stefan Scheil analysiert in seiner präzisen Chronologie, „wie Deutschlands Gegner den Krieg nach Skandinavien trugen“. Damit setzt er einen Kontrapunkt zu gängigen Darstellungen, in denen das „Unternehmen Weserübung“ nur als logischer Schritt in der Reihe von Hitlers Expansionskriegen erscheint, ohne Churchills vorherige „Operation Stratford“ auch nur zu erwähnen. (bä)

Stefan Scheil:  Weserübung gegen Operation Stratford. Kaplaken Band 44. Verlag Antaios, Schnellroda 2015, gebunden, 96 Seiten, 8,50 Euro